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Archiv-Artikel

Mein Leben als Juso

Nichts als die Unwahrheit: ein unveröffentlichtes Kapitel aus der Biografie des Pop-Titanen

von DIETER BOHLEN

Es sollte das brisanteste Kapitel in Dieter Bohlens neuem Bestseller „Hinter den Kulissen“ werden. Titel: „Gerhard Schröder. Oder: Wer’s nüscht bringt, der fliegt“. Doch kurz vor Drucklegung des Thrillers aus der Feder des Pop-Titans wurden die brisanten Seiten aus dem Manuskript entfernt. Denn: Kanzlers Anwalt ist auch ein guter Bekannter von Dieters Anwalt. Jetzt druckt die taz exklusiv, was eigentlich keiner lesen sollte …

Also ich sag mal so: Mit den Sozen verbindet mich eine ganz eigene Geschichte. Früher, als ich noch der kleine Dieter war und in Oldenburg die Schulbank drückte, hatte ich voll die linken Lehrer. Aber was tut man nicht alles für gute Noten? Also begann ich zu schleimen, dass die Schwarte krachte. Ich schrieb Sätze wie „Ich bin gegen Kapitalisten“ oder „Kampf dem Stamokap“ in meine Schulaufsätze, und abends ging ich mit den Kerlen Bier saufen. Ich muss sagen: Die Glibberspur, die ich hinter mir her zog, war breit wie die A 7. Ich kann mich sogar noch daran erinnern, einem der Lehrer zu Hause beim Gardinenaufhängen geholfen zu haben. Igittigitt. Aber in Deutsch ’ne zwei.

Mit meinem Lehrer Herrn Dr. Knake, einem Willy Wichtig bei den Sozis, begann ich zu den Versammlungen der SPD zu gehen. Diese Treffen fand ich toll, wo man über Weltpolitik sprach und über Brüderlichkeit. Und nach dem achtzehnten Bier waren alle gleich – nämlich gleich besoffen. Und wenn dir deine Lehrer permanent vermitteln, Kapitalismus ist Scheiße und Ausbeuterei, dann kommst du natürlich nach Hause und hast deinen Vater im Fadenkreuz, den dekadenten Baulöwen. Plötzlich war er in meinen Augen der Oberkapitalist und Hasskandidat, der davon lebte, Leute auszusaugen und für sich arbeiten zu lassen. Ich wurde Mitglied mit den Jusos, fing an „Mercedes ist Scheiße!“ und „Guck mal, unsere Bonzen-Villa!“ zu rufen. Das ging so weit, dass ich auf unser hässliches Flachdach kletterte und dort an der Antenne eine Fahne mit Hammer und Sichel hisste. Die hatte ich bei den Sozen mitgehen lassen. Klar. Damals war ich noch ein Klugscheißer und Taschengeldempfänger. Da hatte ich leicht plappern.

Seit ich Unternehmer und bekennender Millionär bin, sehe ich die Sache anders. Wer ackert, sich anstrengt und was leistet – finde ich – soll auch belohnt werden. Dummschwätzer und Phrasendrescher beißen die Hunde. Apropos! Da kommen wir auch schon zum Gerd! Jeder Trainer einer Fußballmannschaft wird sofort abgelöst, wenn er den Verein nicht nach oben kriegt. Frage: Ist die Bundesrepublik Deutschland eigentlicher weniger wert als ein Fußballverein? Oder warum lassen wir zu, dass Gerti unser schönes Land jeden Tag ein Stückchen mehr versenkt? Es kann nur einen Weg aus der Misere geben! Schröder, Fischer & Co. müssen weg. Alles Weichspüler, die noch nicht mal eine vernünftige Zweierbeziehung hinkriegen. Wie sollen die bitte achtzig Millionen Deutsche zum Glück führen? Und überhaupt! Was sollen wir mit Leuten, die nicht zugeben, dass sie sich die Rübe tönen?

Meine Forderung: Wir brauchen auch in der Bundesregierung das Leistungsprinzip zurück. Viele mögen jetzt denken: Wat für’n Blödsinn! Aber Patschehand aufs Herz! Wir leben ja nicht in einem Sadomaso-Staat. Warum muss es immer vier Jahre dauern, wenn’s mit der Politik vom Kanzler nicht klappt? Wer’s nicht bringt, der fliegt. Auf Wiedersehen, ihr Luschen! Es lebe der Superkanzler!

Nun gilt natürlich: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Bitte nicht alte Mutanten durch neue ersetzen (also den Schrödi ein bisschen in der Linksaußen-Politik rummuscheln lassen; und Fischer haut sich „Wella-Heim-Coloration“ auf die Omme und wird Kanzler). Deshalb muss dringend ein Auswahlverfahren her, das unabhängig und – sagen wir mal – sozialistisch ist. Alles muss anders werden, und dafür gibt es nur einen Weg, ein einzigartiges neues TV-Format: !!!DEUTSCHLAND SUCHT DEN SUPERKANZLER!!!

Yeah! Bewerben können sich alle. Wird’n voll duftes Casting. Für dieses „Special Event“ schließen sich natürlich alle großen Sender zu einer einmaligen brüderlich-sozialistischen Kooperation zusammen. Jeder Kanzler-Casting-Bewerber trägt vor, wie er die Probleme beseitigen will. Wird bestimmt spannend. Und dann erst die geilen Motto-Shows! Arbeitslosigkeit. Steuern. Gesundheitspolitik. Innere Sicherheit. Anschließend: Hosen runterlassen (Eine wichtige charakterliche Voraussetzung für Politiker). Da kommt Stimmung auf. Der Saal wird toben.

Doch o-ha-o-ha! Gerade haben mir meine IMs (immer informierte Mäusespitzel) verraten, dass im Falle eines Falles auch dem Kanzler seine Doris ins Casting geschleust werden soll. Nachtigall, ick hör dir wiehern. Geht natürlich gar nicht! Sind ja nicht auf einer Shetland-Pony-Leistungsschau.

Aber spätestens bei den Kommentaren, die es auf die Kandidaten hageln würde, läuft mir schon jetzt das Wasser im Höschen zusammen. So nach dem Motto: „Ey, du siehst zwar aus wie ein Bundeskanzler, du hast auch schon drei bis vier Scheidungen hinter dir – aber wenn man dir vorne auf die Füße tritt, macht’s hinten pfffft!“ Oder voll gut kommt auch der Spruch: „Deine Visionen reichen vielleicht für einen Micky-Maus-Film. Aber nicht für unser Vaterland.“

Und während „Deutschland sucht den Superkanzler“ läuft? Für diese kanzlerfreie Übergangszeit wäre ich dafür, dass allen unseren hoch bezahlten Politikern das Gehalt aufs Existenzminimum gekürzt wird. Find ich gerecht, denn wenn ich einen schlechten Titel komponiere, den keiner will, wenn ein Bäcker ein Brötchen backt, das keinem schmeckt – dann kriegen wir beide doch auch kein Geld.

Jawoll! So soll’s sein! Hoch lebe Deutschland!

Euer Dieter

P.S.: Jetzt ist auch der Boris noch in die Schweiz abgehauen. Frechheit! Nur ich bleib hier. Und? Was ist? Statt Bundesverdienstkreuzes krieg ich nur’n Steuerbescheid. Den kann ich mir bei Gelegenheit vielleicht auch um den Hals hängen …