: Wasser aus eigenen Quellen
Die BürgerInnen des norddeutschen Dorfes Ellerhoop wollen weiter das Wasser trinken, das 30 Meter unter ihren Häusern fließt. Sie haben deshalb eine Wassergenossenschaft gegründet
von ANNETTE JENSEN
Susanne von Soden tippt mit dem Fuß auf einen tellergroßen Gusseisendeckel, der in das Bürgersteinpflaster eingelassen ist. „Der gehört jetzt auch uns“, sagt die 46-Jährige mit einem verschmitzten Lachen. Ein großes „W“ ist ins Metall eingestanzt – „W“ steht für Wasser. Darunter befindet sich der Absperrhahn für eines der gepflegten Einfamilienhäuser, die Ellerhoop prägen: Viele Bauten sind nicht älter als 20 Jahre, im Garten gemütliche Terrassen mit Grill und Spielhäuschen für die Kinder.
Seit 1. Juli bezieht das 1.300-Seelen-Dorf nördlich Hamburgs sein Wasser von der Wassergenossenschaft Ellerhoop (WGE). 71 BürgerInnen haben sich zusammengeschlossen, damit sie auch künftig das trinken können, was 30 Meter unten ihnen und einer dichten Schicht von Lehm und Ton fließt. „Wir wollen unabhängig bleiben von großen Unternehmen, auf die wir keinen Einfluss haben“, begründet die Vorsitzende der Wassergenossenschaft die Unternehmensform.
Dabei hatte die Gemeindeversammlung vor knapp zehn Jahren etwas ganz anderes beschlossen. Auf einer Wochenendklausur waren die Gemeinderäte zu der Überzeugung gekommen, dass die Versorgung künftig von einem der großen Wasserwerke aus einer der Nachbarstädte übernommen werden sollte. Schon auf ihrer nächsten offiziellen Sitzung verabschiedeten sie den Beschluss. Doch drei Bürger meldeten noch am selben Abend massiven Protest an. Sie fürchteten steigende Wasserpreise und wollten nicht einsehen, warum sie zu hohen Kosten an ein Wasser-Fernnetz zwangsangeschlossen werden sollten, obwohl das Dorf über eigene Quellen verfügt. Immerhin 300 Häuser in Ellerhoop haben ihre eigenen Brunnen im Garten, 75 Häuser wurden von dem winzigen örtlichen Wasserwerk versorgt. 8.000 bis 16.000 Mark sollten die neuen Rohrleitungen pro Haus kosten.
Hermann Ritter, der mit einer Bürgerinitiative schon erfolgreich gegen den Bau einer Mülldeponie vorgegangen war, startete mit seinen alten Mitstreitern eine Unterschriftensammlung: Wasser aus Ellerhoop für Ellerhoop. Die Gemeindevertreter hielten dagegen: Die kommunale Förderanlage sei langsam zu klein, die Technik veraltet. Und vielleicht kämen die Pestizide aus den Baumschulen demnächst in den Brunnen an. Und schließlich: Der Trend gehe nun mal in Richtung Großversorger. Als dann endlich abgestimmt wurde, waren die Gemeindevertreter klar in der Minderheit.
Jahrelang blieb also die alte Regelung bestehen – bis das Duschwasser immer brauner wurde. Der hohe Eisengehalt des Wassers war nur durch regelmäßige stundenlange Spülung im Wasserwerk unter Kontrolle zu halten, und dabei wurde offenbar gepfuscht. „Da kam mir dann die Idee: Warum machen wir das nicht selbst und gründen eine Genossenschaft“, berichtet der inzwischen pensionierte Lehrer Ritter. Wieder ging er von Haus zu Haus und fand fünf Mitstreiter: eine Frau und vier Männer. Hätten sie damals geahnt, wie viel Arbeit da noch auf sie zukam, vielleicht hätten sie sich die Sache noch einmal überlegt – oder vielleicht auch nicht. „Wille und Widerstand sind ständig gewachsen“, sagt Ritter. Heute wissen sie Bescheid über die Fließrichtungen des Grundwassers, über technische Anlagen zur Wasseraufbereitung, über den Aufbau einer Genossenschaft. Freundschaften sind entstanden und die Gewissheit, sich aufeinander verlassen zu können.
Jetzt muss erst einmal investiert werden: Ein zweiter Brunnen wird gerade hinterm Kriegerdenkmal gebohrt und im Wasserhäuschen eine neue Technik installiert. 70.000 Euro bringt die Genossenschaft dafür auf. Neben den Einlagen der Mitglieder von je 500 Euro gehen auch 20.000 Euro vonseiten der Gemeinde in die Rechnung ein. Sie hatte die letzten Jahre zu viel von den Wasserkunden kassiert. Der Rest sind Kredite, die nach und nach durch den Wasserverkauf abbezahlt werden sollen.
1,25 Euro kostet der Kubikmeter in Ellerhoop heute; früher waren es 69 Cent. Die Gegner der Genossenschaft meckern. Doch im bundesweiten Vergleich mit 1,71 Euro steht der kleine Ort gut da. Und: Das Wasser kommt aus einer kurzen Leitung.