: Russland hält die Klimaschützer hin
Zwei Jahren warten die EU, Japan und Kanada schon darauf, dass Russland das Kioto-Protokoll endlich ratifiziert. Nur so kann das Klimaschutzabkommen in Kraft treten. Heute sollte sich eigentlich Präsident Putin erklären – doch er spielt auf Zeit
von BARBARA KERNECK
Am Ende des G-8-Gipfels von Genua im Sommer 2001 war es Russlands Präsident Wladimir Putin gewesen, der einen Kompromiss in der Abschluss-Resolution ermöglichte: Er bot sich als Hausherr für eine Klimakonferenz in Moskau an, wonach die G-8-Führer gemeinsam erklärten, an den Zielen des Kioto-Protokolls festhalten zu wollen.
Heute nun beginnt in Moskau die Konferenz – und ursprünglich hatte Putin in Aussicht gestellt, sie persönlich zu eröffnen und dabei Russlands Ratifizierung des Kioto-Protokolls anzukündigen. Mit dessen offiziellem Beitritt hätte das Klimaprotokoll endlich die Schwelle an Ländern genommen, um in Kraft treten zu können. Doch Putin selbst hat in den vergangenen Monaten veranlasst, dass die Konferenz vom Rang eines Beinahe-Gipfeltreffens zur reinen Arbeitstagung über technische Fragen heruntergestuft wurde. Bis gestern war nicht einmal bekannt, ob Putin sie überhaupt eröffnen würde. Schlimmer noch: Dem russischen Parlament liegt noch nicht einmal ein Gesetzentwurf zur Ratifizierung vor.
Seit schon mehr als einem Jahr versuchen die EU, Kanada und Japan die Russen von den Vorteilen des Protokolls zu überzeugen. Und tatsächlich würde es das Protokoll Russland ermöglichen, aus dem Zusammenbruch seiner Schwerindustrie Kapital zu schlagen. Die russische Föderation wird nämlich an ihrem Ausstoß von 1990 gemessen. Seither sind die Kohlendioxidemissionen mindestens um ein Viertel gesunken.
Beim In-Kraft-Treten des Protokolls könnte Russland zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Weil es weniger ausstößt, als es darf, kann es die übrig bleibenden Verschmutzungsrechte an andere Länder verkaufen. EU-Firmen mit hohem Schadstoffausstoß wären zudem gezwungen, klimafreundlichere Fabriken zu bauen – nach Möglichkeit in Ländern mit freien Emissionsquoten. Doch bislang gibt es nicht mal einen Regierungsbeschluss. Außenminister Igor Iwanow begründete das am Freitag damit, dass die Zuständigkeiten noch nicht geklärt seien. „Sobald die Prozedur beendet ist, wird der Beschluss gefasst“, sagte der Minister. „Ob dies bis Jahresende geschieht, ist schwer zu sagen.“
Alles spricht dafür, dass Iwanow die Wahrheit sagt und dass in der Regierung ein heftiger Kampf ums Protokoll tobt. Ministerpräsident Kasjanow paktiert mit einflussreichen Bossen aus der Energieindustrie, die als Folge einer Ratifizierung bereits den Tod der heimischen Kohlereviere innerhalb der nächsten zehn Jahre prophezeien.
Präsident Putin dagegen wünscht die Ratifizierung. Er braucht dringend außenpolitische Erfolge. Da sich der Präsident in der russischen Politik gewöhnlich durchsetzt, stellt sich weniger die Frage, ob ratifiziert wird, sondern wann – und zu welchem Preis. In den letzten Wochen hat die russische Regierung versucht, von Japan, Kanada und der EU Abnahmegarantien für ihre Zertifikate zu erhalten. Nicht ausgeschlossen ist, dass Putin auch politische Zugeständnisse begehrt – offenbar lässt er sich die Ratifizierung so teuer wie möglich bezahlen.