Mit viel Routine und noch mehr Ruhe

Regionalligist KFC Uerdingen könnte sich langsam wieder dem Profifußball annähern. Das Team bringt jedenfalls genügend Erfahrung mit. Nur im Umfeld scheinen das noch nicht allzu viele mitbekommen zu haben

KREFELD taz ■ Im Stadionmagazin „Grotenburger“ des KFC Uerdingen gibt es die obligatorische Rubrik „Was macht eigentlich...? Dort werden prominente Ex-Spieler vorgestellt – aus einer Zeit, als der Verein noch Bayer 05 Uerdingen hieß, vom gleichnamigen Chemieriesen mehr als üppig unterstützt wurde und im Konzert der Bundesliga-Größen mittun durfte. Franz Raschid, Mittelfeldrenner und 166-facher Bundesligaspieler, darf erzählen, wie er zum Spitznamen „der Araber“ gekommen ist und weshalb er das Pokalfinale 1985 verpasst hatte. Ex-Ersatztorwart Dieter Ingendae ist stolz auf seine 3 Bundesligaspiele: „Manche haben noch weniger.“ Und Strafraumstürmer Peter Loontiens, der sich damals mit dem doppelten Borussen Frank Mill regelmäßig um den Titel des Schwalbenkönigs der Liga stritt, versucht zu erklären, warum es sich dabei um ein Missverständnis handelt.

Viel hätte nicht gefehlt, dann wäre auch Stephan Paßlack in dieser Rubrik gelandet. Elf Jahre tingelte der Uerdinger Abwehrspieler durch die halbe Bundesliga. Köln, Frankfurt, Mönchengladbach, 1860 München hießen die Stationen. Zwischendurch wurde er von Berti Vogts irgendwann irrtümlich in die Nationalmannschaft geholt. Vier Länderspiele. Sein einziger Titel: Rekordabsteiger. Fünfmal musste er mit seinen Teams runter. Zum Schluss saß Paßlack beim Zweitligisten 1.FC Nürnberg nur noch auf der Tribüne. Das Ende der Karriere?

Nicht ganz. Vor einigen Wochen erinnerte man sich in Uerdingen an Stephan Paßlack und irgendwie schafften es die Verantwortlichen, den 34-Jährigen zurück in die Grotenburg zu holen. Das Versprechen: Kein Abstiegskampf mehr. „Der permanente Druck verfolgt dich bis ins Privatleben,“ sagte Paßlack. Der Druck soll ihm jetzt genommen werden. Ein Mittelfeldplatz mit Tendenz nach oben wird als Ziel ausgegeben. Nur die Ruhe.

Vielleicht geht auch mehr: Durch den 2:1-Erfolg am Samstag über die Amateure von Werder Bremen haben sich die Uerdinger an einen Aufstiegsplatz herangespielt. Fünf Spiele in Folge ungeschlagen. Dabei machten sie jetzt sogar einen 0:1-Rückstand wett. Danny Thönes (52.) auf Vorarbeit von Paßlack und Dustin Heun (59.) sicherten den Sieg. „Bei diesen Temperaturen ist das nicht selbstverständlich“, sagte Trainer Wolfgang Maes, dessen Team vom Bremer „Black-Out“ kurz nach der Halbzeit profitierte, wie Maes und sein Trainerkollege Thomas Wolter unisono analysierten.

Die Bremer stellten im Spiel durchweg die technisch besseren Einzelspieler. Am Ende hatten sie etliche gute Chancen zum Ausgleich. Doch die Uerdinger siegten mit Glück, Routine und mannschaftlicher Geschlossenheit – in einem sehr kompakten System, das noch anderen Teams Probleme bereiten dürfte.

Mit dafür verantwortlich sind vor allem die bundesligaerfahrenen Spieler. Neben Paßlack gelang es den Uerdingern auch noch, den ehemaligen bulgarischen Nationalspieler Ilja Gruev zu verpflichten. Zuletzt spielte er beim Nachbarn MSV Duisburg keine Rolle mehr. Am Samstag machte er sein erstes Spiel nach sechs Wochen Pause. Er musste mit Krämpfen ausgewechselt werden. „Es ging nicht mehr“, sagte Gruev. „Seine Ruhe hat uns am Ende gefehlt“, sagt Maes. Gut, dass sie vorher da war.

„Ich fand unsere Vorstellung auch in der ersten Hälfte nicht schlecht“, sagte Jörg Scherbe, „auch nach dem Rückstand.“ Der Kapitän ist auch so ein Spieler mit Bundesligaerfahrung. Nach drei Jahren in Cottbus kehrte er vor zwei Jahren ins „ruhigere“ Uerdingen zurück.

Doch in der Ruhe liegt vielleicht das größte Problem. Gerade 2.116 Zuschauer wollten das Spiel sehen. Die Mannschaft spielt erfolgreich, doch in Krefeld scheint dies niemanden zu interessieren. Das war schon früher so. „Die Kabinen sind ja die selben wie vor 20 Jahren“, sagte ein Bremer Mannschaftsbetreuer. Und Zigarettenautomaten gibt es auch keine. Was machen die Krefelder eigentlich so den ganzen Tag? HOLGER PAULER