Und die Turbine läuft weiter

Zum Auftakt der Frauenbundesliga gewinnen die Meisterinnen aus Potsdam beinahe im Vorbeigehen. Gedanklich sind Spielerinnen und Trainer schon viel weiter: beim Europapokal, bei der Titelverteidigung und im Olympiastadion

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Gerade noch rechtzeitig vor Saisonbeginn konnte Bernd Schröder, der Trainer des deutschen Meisters und Pokalsiegers Turbine Potsdam, seine Fußballerinnen das erste Mal um sich scharen. Vier Tage vor dem ersten Ligaspiel gegen Aufsteiger Essen-Schönebeck waren erstmals alle Spielerinnen zum Training erschienen. Und gerade die Spätankömmlinge waren nicht unbedingt in der besten Verfassung. Die sechs Potsdamerinnen, die mit der Nationalmannschaft in Athen die Bronzemedaille gewonnen haben, stöhnten noch immer über die griechische Spätsommerhitze. Ariane Hingst, Mittelfeldmotor in Nationalmannschaft und Verein, freut sich schon auf die Spielpause im November. Dann müssen nämlich die jüngsten Potsdamerinnen in Norwegen bei der U19-Weltmeisterschaft antreten, und die anderen dürfen etwas kürzer treten.

Bis dahin aber ist der Terminkalender proppenvoll. Schon Mitte September betreten die Fußballerinnen das erste Mal die europäische Bühne. Das Qualifikationsturnier zum UEFA-Cup beschert dem guten alten Karl-Liebknecht-Stadion seine ersten Europapokalspiele. In der Vierergruppe mit den Mannschaften aus Montpellier, dem sardischen Torres und Breslau will Turbine unbedingt den ersten Platz belegen, um nicht gleich im Viertelfinale auf den schwedischen Cup-Verteidiger Umea zu treffen. Potsdam ist zwar nicht unbedingt im Europacupfieber, erhöhte Temperatur herrscht vor der internationalen Premiere aber allemal.

Vor dem ersten Ligaspiel gegen Essen-Schönebeck bestand also durchaus die Gefahr, dass der deutsche Meister mit ein wenig Unterspannung in die Partie gehen wird. Selbst der ewige Griesgram Bernd Schröder war vor dem Spiel von einem Sieg überzeugt. Er dachte eher ans große Ganze. Seine Frauen sollen möglichst den Titel verteidigen und auch wieder ins Pokalfinale vorstoßen. Das scheint Schröder gefallen zu haben. „Wer einmal im Olympiastadion gespielt hat, der will das noch einmal erleben“, schwärmte er. Und das Spiel gegen Essen-Schönebeck? Das gewannen die Potsdamerinnen locker mit 4:0. Es hörte sich beinahe wie eine Drohung an, was Schröder nach dem Abpfiff sagte: „Wir haben nur 30 Prozent unseres Könnens gezeigt.“

Alle bei Turbine sind sich im Klaren darüber, dass der Titelverteidiger Favorit auf den Gewinn der Meisterschaft ist. Eine neue Situation. Alle bei Turbine sind sich klar darüber, dass es schön wäre, wenn sich die Erfolge der Vorsaison wiederholen ließen. Denn nach dem Doublegewinn konnten Verträge mit zwei neuen Sponsoren geschlossen werden, der Etat wurde aufgestockt und ist schon zu Saisonbeginn – im Gegensatz zum Vorjahr – gedeckt. Nicht nur sportlich, auch finanziell scheint sich die Lücke zum Dauerrivalen FFC Frankfurt zu schließen.

Mit einem Zweikampf wie in den vergangenen Jahren rechnet Coach Schröder übrigens nicht. Neben Turbine und Frankfurt schätzt er den FCR Duisburg und den SC 07 Bad Neuenahr ganz stark ein. Ein Vierkampf, so Schröder, könnte das Unternehmen Titelverteidigung sogar ein wenig einfacher machen. Früher sei der Titel oft schon nach einer Niederlage gegen Frankfurt futsch gewesen, weil die zwei Topmannschaften alle anderen Spiele sowieso gewonnen haben. Jetzt dürfe man auch einmal eine Partie verlieren, ohne gleich ganz aus dem Rennen zu sein.