Digital ist schlechter

Computer zerstören nicht nur Ehen, sondern auch die Umwelt. Gegen Schuldgefühle helfen nur Apple-Produkte

Das Internet ist an allem schuld. In England ist die Scheidungsrate gestiegen, weil englische Ehemänner ihren Frauen am Abend immer häufiger sagen, dass sie noch ein bisschen am Computer arbeiten müssten. Tatsächlich suchen sie dann im Internet nach neuen Frauen, sehr oft nehmen sie auch Kontakt zu ihren Verflossenen auf, an die sie „verklärte Erinnerungen“ haben, hat die ebenfalls englische Eheberaterin Christine Northam herausgefunden. Sie meint, es wäre besser, wenn die Männer mit ihrer gegenwärtigen Frau offline darüber redeten, dass sie sich langweilen.

Natürlich ist das Internet auch daran schuld, dass ich vergangene Woche das „Advanced Audio Coding“ (AAC) und das „Adaptive Transform Acoustic Coding“ (ATRAC) verwechselt habe. Ich hätte offline im Betriebshandbuch meines MD-Players nachsehen sollen. Stattdessen habe ich im Internet gelesen, dass Sony an der Entwicklung des AAC beteiligt war. In der online verklärten Erinnerung verschmolzen die Abkürzungen miteinander, und der uralte ATRAC-MD-Player von Sony schien wie ein nagelneuer AAC-iPod von Apple zu klingen. Auch daran können Ehen zerbrechen: Du hörst mir ja gar nicht zu. Es soll nie wieder vorkommen, und ich will tätige Reue üben, indem ich den Kongress der Fraunhofer-Gesellschaft besuche, der diese Woche stattfindet. Auch die Fraunhofer-Gesellschaft war an der Entwicklung des AAC beteiligt (nicht aber am ATRAC), der internationale Kongress ihres Berliner Instituts steht unter dem Titel „Electronics goes green“.

Die Liste der teilnehmenden Fachleute und Firmen der Informationsbranche ist lang und hochkarätig, denn es gilt, gleich zwei fundamentale Fragen in Angriff zu nehmen: Was an der Informationstechnik nützt der Umwelt, und was schadet ihr? Den Vortragsthemen nach zu schließen, läuft die Antwort darauf hinaus, dass die Software nützlich, die Hardware aber schädlich ist, im Prinzip jedenfalls. Mit der Software kann man Umweltprobleme berechnen, die Hardware dagegen ist unsozial teures und extrem schwer entsorgbares Verbundmaterial. Meine PCs jedenfalls, der MD-Player und dergleichen bestehen definitiv nicht aus nachhaltig angebauter Jute. Es handelt sich schlicht um neokolonialen Sondermüll, ich gebe es zu. Und fühle mich schuldig. Mit einem iPod und einem Mac wäre mir das nicht passiert. NIKLAUS HABLÜTZEL