Vertreibung ins Paradies

Auf einer Elbinsel ist der erste Naturausgleich für Airbus-Fabrik im Süßwasserwatt Mühlenberger Loch fertig gestellt. Die bedrohte Krickente ist schon umgezogen, die Löffelente zögert noch. Deichverband mit Neubau höchst zufrieden

Die Bestände „wertgebender Arten“ haben sich schnell eingestellt

aus HahnöfersandGERNOT KNÖDLER

So ein Schlickwatt wirkt doch eher unansehnlich, selbst wenn es neu ist. An der Elbe, gegenüber der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Wedel, hat der Hamburger Senat ein Stück der niedersächsischen Elbinsel Hahnöfersand abbaggern lassen. Damit will er den Ausbau der Airbus-Fabrik in einem Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung gutmachen.

Das neue Watt ist eine narbige, grün-braun-rote Fläche, die sich vor einem breiten neuen Deich ausbreitet. Auf dessen Fuß gedeihen strubbelige Stauden. Auf kleinen Hügeln ruhen sich Watvögel aus. Priele und Pfützen, in denen Enten gründeln, zeugen davon, dass sich dieses Gebiet im Takt der Tiden verändert. Zwei Vogelzugsaisons nach Fertigstellung deutet vieles darauf hin, dass das neue Watt seine Funktion als Ersatzlebensraum erfüllen kann. Auch der Deichverband, sonst kein Freund von Rückdeichungen, ist höchst zufrieden.

Das Abbaggern von Hahnöfersand ist eines von vier Naturschutzprojekten, mit denen Hamburg das Zuschütten eines Viertels des Mühlenberger Lochs auszugleichen versucht. Die Latte dafür liegt hoch. Denn die Elbbucht, ein seltenes Süßwasserwatt, erfüllt die Schutzgebietskriterien der Flora-Fauna-Habitat- (FFH) und der Vogelschutz-Richtlinie der EU. Hier rasten international bedeutende Bestände an Löffelenten, Krickenten und Trauerseeschwalben. Außerdem gedeiht dort der Schierlingswasserfenchel (oenanthe coinoides), der ausschließlich an der Unterelbe vorkommt.

Die Ausgleichsprojekte müssen nach den Vorschriften des Naturschutzrechts möglichst zeitgleich mit dem Bauprojekt abgeschlossen werden. Während die neue Werkshalbinsel im Mühlenberger Loch bereits seit zwei Jahren eingedeicht ist, schwappt die Tide erst seit Oktober vorigen Jahres ins neue Watt – im 63 Hektar großen Westteil der Insel. Der 41 Hektar große Ostteil soll erst im Herbst 2005 baumaschinenfrei sein.

Nach den Zählungen des im Auftrag der Stadt tätigen Vogelkundlers Alexander Mitschke hat eine Reihe von Vogelarten das neue Watt auf Hahnöfersand gut angenommen. „Ich bin positiv überrascht, wie schnell sich die Bestände wertgebender Arten hier eingestellt haben“, sagt Mitschke. 990 Krickenten hat er im August gezählt. Im Mühlenberger Loch hätten sich im Herbst 2002 und im Frühjahr 2003 bis zu 6.500 Krickenten aufgehalten – eine überdurchschnittlich hohe Zahl. Ab 4.000 Exemplaren gilt ein Krickenten-Bestand als international bedeutend.

Die beiden anderen Schlüssel-Vogelarten bekam Mitschke allerdings selten bis gar nicht vors Fernrohr. Lediglich 28 Löffelenten zählte er im neuen Watt. Der Bestand im Mühlenberger Loch habe sich seit Beginn der Bauarbeiten dort halbiert. Ihr Bestand gilt ab 400 Exemplaren als international bedeutend.

Trauerseeschwalben zählte Mitschke nur selten. Zwei Beobachtungsjahre reichten bei dieser Art allerdings nicht aus, um die Bestandsentwicklung zu bewerten. Sie spielten bei dem Projekt auf Hahnöfersand aber auch nur eine Nebenrolle. Mitschke: „Uns geht‘s um die Enten.“

Dem niedersächsischen Deichverband Zweite Meile Altes Land geht es um die Sicherheit der Menschen, die südlich von Hahnöfersand wohnen. Nach der verheerenden Sturmflut von 1962 war die Elbinsel in die Deichlinie einbezogen worden, die sich auf diese Weise verkürzte. Die jetzige Rückverlegung des Deichs für das neue Watt rief bei vielen Menschen die Sorge vor einer neuen Überschwemmung wach.

Der Deichverband befürchtete, der neue Deich wäre nicht stabil und würde in den weichen Untergrund sacken. Alle Bedenken seien aber inzwischen ausgeräumt. „Wir finden hier in der Qualität des Deichbaus eine Maßnahme, die besser ist als alles, was hier in der Umgebung steht“, sagt Oberdeichrichter Uwe Hampe.

Die Nachbesserungen haben die Stadt einige Millionen Euro zusätzlich gekostet. Bei all dem Unmut, den die Werkserweiterung bei Naturschützern und Anwohnern hervorrief, wollten Airbus und die Stadt es sich nicht auch noch mit den Leuten hinterm Deich verscherzen.