Goodbye, Lacoste

Oh mein Gott, noch eine DDR-Komödie: „Kleinruppin Forever“ erzählt von einem westdeutschen Teenager, der unfreiwillig in der ostdeutschen Vorwende-Provinz strandet und dort sein Glück findet

Was ist der schrecklichste Schicksalsschlag, der einem bundesdeutschen Teenager in den Achtzigerjahren hätte widerfahren können? Zwar sind viele schreckliche Dinge denkbar, doch nach reiflicher Überlegung dachten sich die Drehbuchautoren Peer Klehmet und Sebastian Wehlings, dass es wohl am allerallerschrecklichsten wäre, eines Tages nichtsahnend in der DDR aufzuwachen – und keiner glaubt einem, dass man da auf gar keinen Fall hingehört.

Also erfanden sie die Figur des arroganten Bremer Bürgersöhnchens Tim, das schon die Koffer gepackt hat, um endlich das langersehnte Tennisstipendium in Miami anzutreten. Weil aber noch eine Klassenfahrt auf dem Programm steht, führt ihn die Geschichte zunächst ins brandenburgische Kleinruppin, wo sein bis dato unbekannter Zwillingsbruder Ronnie wohnt, der ihn nach einen überraschenden Zusammentreffen unter Anwendung von spontaner Gewalt zu einem Rollentausch zwingt.

Man mag sich denken, dass Tim das Kleinruppiner Leben gar nicht gefällt, zumal sich die ostdeutsche Wirklichkeit doch arg von der westdeutschen unterscheidet. Im Osten sind die Leute entweder Kette rauchende Stasibeamte oder drollige Alkoholiker, die unter Stasibeobachtung stehen. Im Osten trägt man fiese Frisuren, schlimme Hosen und ernährt sich von streng vitaminfreier Kost. Im Osten ist der Himmel grau, im Osten hört man die falsche Musik.

Zwar könnte man anführen, dass „Kleinruppin Forever“ in besonders fahrlässiger Weise mit handelsüblichen Klischees jongliert, doch tatsächlich wurden sie entstaubt, poliert und wie Pokale zur Bewunderung ausgestellt. Um dabei für eine gewisse Ausgewogenheit zu sorgen, mussten als Kontrast natürlich auch ein paar West-Klischees hervorgeholt werden – weshalb man in Bremen grundsätzlich Vespa fährt, einen Vater hat, der Unternehmer ist, und seine Kleiderordnung an den modischen Vorgaben des Trendfilms „La Boum“ ausrichtet. Alle tragen immer Lacoste.

Ob das Leben im Westen denn eigentlich so viel besser sei, wird Tim einmal von Jana gefragt, der neuen Dame seines Herzens. Er antwortet: „Im Moment würde ich mit niemandem tauschen.“ Es ist dieser eine Satz, der die Klischees mit einer Geste aus dem Regal fegt und aus der Komödie eine romantische Komödie macht, die auch ein paar Tiefsinnigkeiten parat hält: „Wenn man glücklich ist, dann ist es egal, wo man ist“, sagt ein Fischer, nachdem er Tim bei einem Fluchtversuch aus der Ostsee zieht. „Das ist wie mit den Fischen. Denen ist es auch egal, wo sie schwimmen.“

Wobei die Schwimmerei im konkreten wie auch im übertragenen Sinne im weiteren Verlauf noch eine Rolle spielt, die für den Film nicht immer von Vorteil ist. Gerade zum Ende säuft die Handlung leicht ab, und Regisseur Carsten Fiebeler macht einige ziemlich umständliche Umwege, um endlich auf die Zielgerade zu kommen, die sich dem Zuschauer schon viel früher andeutet. Dafür sind Ausstattung, Kostüme und Musik ganz wunderbar geraten. Die Dialoge sind deutlich besser als in den meisten deutschen Komödien. Auch die Rollen sind meist hervorragend besetzt: besonders Michael Gwisdek als der herzensgute und stets trunkene Ersatzvater Erwin und die Anna Brüggemann als Tims Frau fürs Leben. HARALD PETERS

„Kleinruppin Forever“. Regie: Carsten Fiebeler. Mit Anna Brüggemann und Tobias Schenke. D 2004, 103 Min.