: Lauben zählen nicht als Piepen
Wegen Hartz IV fürchten arbeitslose Datschenbesitzer um ihr Glück im Grünen, Kleingärtner hingegen nicht. Ein Grund: In den Lauben fehlen die Klos. Verbände raten beiden, bloß nicht zu verkaufen
von FELIX LEE
Herbert S. ist außer sich: „Zu DDR-Zeiten war die Datsche unser einziger Besitz. Nun soll sie uns auch noch genommen werden“, empört sich der 54-jährige arbeitslose Schlosser aus Lichtenberg, der auf einem 48-Quadratmeter-Grundstück in Mahlsdorf ein Anwesen sein Eigen nennen kann. Noch.
Gelassenheit herrscht hingegen ein paar Straßen weiter in der Schreberkolonie. Auch Elisabeth W. (51) ist seit mehreren Jahren arbeitslos und hat den Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt. Doch sie fürchtet nicht um ihre Laube im Grünen. „Wir haben allen unseren Mitgliedern vom Verkauf abgeraten“, begründet Gerd Schoppa, Vorsitzender vom Bezirksverband Marzahn der Gartenfreunde e. V. die Ruhe seiner Kleingärtner. SPD-Generalsekretär Uwe Benneter persönlich habe ihnen versichert, dass Hartz-IV-Betroffene ihre Lauben nicht verkaufen müssen.
Wie jetzt – die Datsche (im ostdeutschen Volksmund der Begriff fürs Wochenendhaus), muss bei Hartz IV als Vermögen angegeben werden, die Laube nicht?
Nach dem neuen Gesetz sind alle Vermögenswerte anzugeben, die den Grundfreibetrag übersteigen – egal ob auf den meist gepachteten Grundstücken kleine Lauben stehen oder pompöse Datschen. Die Kleingartenvereine sind jedoch zuversichtlich, dass ihre Hartz-IV-Opfer nicht von der „Enteignung“ betroffen sind. Ihre Argumentation: Lauben fallen unter das Bundeskleingartengesetz und unterliegen damit strengen Auflagen. So darf die überdachte Fläche zum Beispiel nicht 24 Quadratmeter übertreffen, die Ausstattung muss „einfach“ bleiben und sanitäre Anlagen fehlen auch. Ein Schrebergarten könne also von den Ämtern gar nicht wie ein zweites Wohndomizil bewertet werden. Zudem müssen Laubenpieper eine bestimmte Fläche dem Obst- und Gemüseanbau widmen – ein Relikt aus der Kleingartenbewegung der Jahrhundertwende, als der Schrebergarten einen Beitrag zur Subsistenzwirtschaft leistete.
Anders bei der Datsche: Die Bungalows sind oft auf großen Grundstücken gebaut, bei der Datsche steht der Erholungswert im Vordergrund. Datschenbesitzer sind also nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung ihres Grundstücks verpflichtet.
Doch auch der Datschen-Verband glaubt nicht an einem Massenverkauf der Datschen, von denen es allein in Berlin und Brandenburg rund 400.000 gibt. Eckhart Beleites, Präsident vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDNG) behauptet, einer „Zwangsverwertung der Datschen“ stehe das „Schuldrechtsanpassungsgesetz“ entgegen, das noch bis 2022 gültig ist. Nach diesem Gesetz fiele das Gebäude entschädigungslos an den Verpächter, würden die Nutzer gezwungen, ihre Datsche vorzeitig in Bares umzumünzen. „Absurd“ sei das, schreibt Beleites in einem Brief an den Bundeskanzler. „Der Betroffene muss sein Eigentum vernichten, um Anspruch auf die Zahlung von Arbeitslosengeld II zu bekommen.“ Bundesminister Stolpe, zuständig für den Osten, will jetzt dafür sorgen, dass zumindest Datschen auf fremdem Boden von Hartz IV ausgenommen werden. Doch der Massenverkauf wird nicht ausbleiben: Allein die Pachtgebühr liegt bei rund 400 Euro im Jahr. Bei einem ALG-II-Satz von 331 Euro im Osten – wer mag da noch an Kleingartenidylle am Stadtrand denken?