WAHLEN IN HONGKONG: GEWINN FÜR DEMOKRATEN UND DEMOKRATIE : Lektion für China
Bei zahlreichen Anhängern der Hongkonger Demokratiebewegung gab es gestern lange Gesichter: Nach den zahlreichen Großdemonstrationen der letzten zwei Jahre für mehr Demokratie hatten sie sich einen Durchmarsch ihrer Kandidaten bei den Wahlen zum Hongkonger Stadtparlament erhofft. Stattdessen konnten die Demokratieanhänger nur 18 der frei zu wählenden Mandate erringen und ihre Peking-freundlichen Gegner immerhin 12.
Das aber ist keine Niederlage der Demokraten. Bei wirklich freien Wahlen hätten sie am Sonntag eine 60-prozentige Sitzmehrheit erworben – somit bleibt die Demokratie in Hongkong mehrheitsfähig. Dass Peking dennoch die Kontrolle über Hongkong bewahrt, liegt an einem mittelalterlichen Wahlsystem, bei dem die Hälfte der Stadträte von ständischen Vereinigungen bestimmt wird. Doch weiß auch Peking, dass es so nicht weitergeht. Wenngleich die Kommunisten aus Angst vor dem Machtverlust ausgeschlossen haben, schon bei den nächsten Wahlgängen in den Jahren 2007 (Stadtchef) und 2008 (Stadtparlament) gänzlich freie Wahlen abzuhalten, wollen sie das Hongkonger Wahlsystem weiter demokratisieren. Die Verhandlungen darüber zwischen Demokraten und Kommunisten im Stadtparlament werden schon im November beginnen. Vielleicht ist es dann sogar von Vorteil, dass Pekings Anstrengungen um die Hongkonger Wählergunst – Chinas Olympiagewinner wurden kurzerhand in den Hongkonger Wahlkampf geschickt – belohnt wurden. Jetzt können die Kommunisten selbst wieder Hoffnung schöpfen, bei Wahlen nicht automatisch zu verlieren.
Zudem dürfte das Hongkonger Wahlergebnis auch für ganz China eine positive Wirkung zeigen: Belegt es doch, dass Demokratie die politischen Lager nicht spalten muss, sondern im Gegenteil auch zusammenführen kann. Noch immer ist für viele Chinesen die heutige politische Stabilität im Land der nächstliegende Grund, die Demokratie anderswo skeptisch zu betrachten. In Hongkong aber ist es jetzt die Ausgewogenheit des Wahlergebnisses, welche der Stadt nach zwei Jahren Straßenprotest die politische Stabilität zurückgibt. GEORG BLUME