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Archiv-Artikel

Türkische Truppen in den Irak

Nach US-Zugeständnissen stimmt das türkische Parlament dem umstrittenen Wunsch der eigenen Regierung zu, bis zu 10.000 Soldaten in den Irak zu schicken

ISTANBUL taz ■ Das türkische Parlament hat gestern die Regierung ermächtigt, Truppen in den Nordirak zu senden. 358 Abgeordnete stimmten dafür, zwei enthielten sich, die Opposition stimmte mit 183 Stimmen geschlossen dagegen. Nachdem am Montag das Kabinett dafür votiert hatte, stimmte das Parlament gestern überraschend schnell dem Antrag der Regierung zu. Obwohl die Entsendung türkischer Soldaten in das Nachbarland in der Bevölkerung überwiegend abgelehnt wird, kann nun die Regierung entscheiden, wann sie Truppen schicken will. Die USA hatten 10.000 Soldaten angefragt, der Generalstab der türkischen Armee hat bereits einzelne Truppenteile angewiesen, sich bereit zu halten.

Anders als im März, als das Parlament den Durchmarsch von US-Truppen durch die Türkei in den Irak ablehnte, ist jetzt Regierungspartei AKP mehrheitlich der Regierung gefolgt. Dabei ist der Einsatz im Irak innerhalb der Partei so umstritten wie in der Bevölkerung. Trotzdem hatten Ministerpräsident Erdogan und Außenminister Gül aus außenpolitischen Erwägungen einen Einsatz forciert. Man könne nicht tatenlos zusehen, wie das Chaos im Irak immer bedrohlicher werde, war die offizielle Begründung. Dazu kommt der Wunsch, das gestörte Verhältnis zu den USA zu verbessern.

Doch viele Abgeordnete fürchten, dass die Regierung dafür einen hohen Preis zahlen wird. Ein Vorfall am Montag verdeutlichte das Risiko für türkische Truppen. Ein Konvoi türkischer Lkws, der Trinkwasser geliefert hatte, war auf dem Rückweg bei Mossul überfallen worden, drei Fahrer starben. Ein Sprecher der Patriotischen Union Kurdistans sagte danach, Ankara solle sich gut überlegen, welche Rückschlüsse es aus dem Überfall ziehe.

Die irakischen Kurden sind vehement gegen den Einsatz türkischer Truppen. Selbst der Chef des irakischen Regierungsrates Ahmed Chalabi hatte sich dagegen ausgesprochen. Erst gestern stimmte die provisorische irakische Regierung in Bagdad noch einmal demonstrativ gegen den Einsatz türkischer Truppen im Irak ab. Das reichte allerdings nicht, um die AKP-Abgeordneten zu bewegen, ihre Regierung ein zweites Mal zu desavouieren.

Wenige Tage zuvor hatte die Regierung zwei Zugeständnisse Washingtons präsentiert. Erstens wurde in der letzten Woche eine Einigung erzielt, nach der US-Truppen bald auch militärisch gegen die bewaffneten Verbände der PKK/Kadek im Nordirak vorgehen werden. Eine solche Zusicherung, auf deren schriftliche Bestätigung die Regierung noch wartet, war die Voraussetzung, dass Erdogan dem Parlament das Gesuch um eine Ermächtigung zum Einsatz von Truppen im Irak überhaupt vorlegen wollte. Dazu kam die Einigung über einen Acht-Milliarden-Dollar-Kredit von Washington, der die Türkei für wirtschaftliche Folgen des Krieges entschädigen soll. Die Auszahlung ist an eine gute Kooperation der Türkei im Irak gekoppelt. Unklar bleibt weiterhin, wann wirklich Soldaten nach Bagdad ausrücken. Viele Detailfragen müssen mit den USA noch geklärt werden, und die türkische Regierung hofft immer noch auf eine UN-Resolution. JÜRGEN GOTTSCHLICH