: Roland Kochs Operation dramatische Zukunft
Hessens Finanzminister Weimar mit „Haushalt der Schmerzen“: Sozialbereich muss auf 30 Millionen Euro verzichten
WIESBADEN taz ■ So brutal wie möglich soll gespart werden in Hessen. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) jedenfalls kündigte das an. Und sein Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) legte gestern den entsprechenden Haushaltsentwurf 2004 vor – und einen wegen „dramatischen Steuerausfälle“ nötig gewordenen Nachtragshaushalt für 2003 gleich mit. Der bewege sich mit einer Nettokreditaufnahme von 1,75 Milliarden Euro statt geplanter 705 Millionen hart am Rande der verfassungsmäßigen Legalität, monierten die Oppositionsparteien SPD und Grüne.
Weimar wies die Vorwürfe zurück. Schuld an der Misere sei die Bundesregierung. Landesverfassung und hessische Haushaltsordnung erlaubten ausnahmsweise eine Kreditaufnahme, die höher sei als die Ausgaben für Investitionen – „wenn damit eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abgewendet wird“.
Mit dem Nachtrag 2003 hat die christdemokratische Alleinregierung ihre Altlasten entsorgt. Der Haushaltsentwurf 2004 steht dagegen schon ganz im Zeichen von Roland Kochs „Operation sichere Zukunft“, einem radikalen Sparprogramm, mit dem der immer defizitärer werdende Landeshaushalt so schnell wie möglich konsolidiert werden soll – vor allem auf dem Rücken der sozial Schwachen.
Dass Koch, der noch in den vergangenen vier Jahren „das Geld zum Fenster herauswarf, um seine zahlreichen Wahlversprechen von 1999 auch umsetzen zu können“, so die Konklusion etwa der Grünen, ausgerechnet jetzt zum „Topsanierer“ avanciere, sei aber nur bedingt späte Einsicht, sagten selbst Unionspolitiker – hinter vorgehaltener Hand. Als Schuldenmacher vom Dienst nämlich braucht Koch erst gar nicht ins Rennen um die Kanzlerkandidatur zu gehen. Und es war der bayerische Ministerpräsident und gewesene Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU), der Koch im Sommerloch aufforderte, doch erst bei sich zu Hause in Hessen aufzuräumen, ehe er sich in die Steuerpolitik auf Bundesebene einmische. Das saß. Koch erfand umgehend die „Operation sichere Zukunft“.
Und landesweit sehen sich jetzt soziale Projekte in ihrer Existenz bedroht. Im Landeshaushaltsentwurf 2004 jedenfalls ist der gesamte Sozialbereich im Vergleich mit dem Nachtrag 2003 um 30 Millionen Euro zusammengestrichen worden. Und Koch und Weimar wollen knapp 10.000 Arbeitsplätze aus dem Stellenplan kippen; darunter auch 1.000 Lehrerstellen. Vor knapp zwei Jahren noch suchte Kochs Kultusministerin Karin Wolff (CDU) händeringend nach Lehrern – auch in anderen Bundesländern.
Kompensieren will die Union die Abgänge mit einer Erhöhung der Arbeitszeit für alle Landesbeamten. Und was bringt die haushaltstechnische Umsetzung der „Operation sichere Zukunft“ am Ende tatsächlich? Eine Nettoneuverschuldung 2004 von „nur noch 865,3 Millionen Euro“, so Weimar. Die Grünen warfen Koch im Anschluss vor, den „Karren ganz alleine an die Wand gefahren“ zu haben. „Und jetzt steigt er aus dem Schrotthaufen und erklärt sich selbst zum Sanitäter.“ Auf jeden Fall: Hessen schmerzt.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT