: Für Sarrazin wird‘s ernst
Die Staatsanwaltschaft erhebt in der Tempodrom-Affäre Anklage gegen den SPD-Finanzsenator. Auch Peter Strieder soll vor Gericht. Opposition fordert Sarrazins Rücktritt. Der lehnt das ab und erhält Unterstützung der Koalitionspartner SPD und PDS
von STEFAN ALBERTI
Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) erhoben. Damit ist der SPD-Mann nur noch einen Schritt von einem Strafverfahren vor Gericht entfernt. Ob es dazu kommt, entscheidet das Landgericht. Sarrazin soll sich im Zusammenhang mit der Tempodrom-Finanzierung der Untreue schuldig gemacht haben. Trotz Anklage will der Senator im Amt bleiben, was bundesweit ein Novum ist. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, SPD und PDS stärkten Sarrazin den Rücken. CDU und Grüne forderten seinen Rücktritt.
Neben Sarrazin klagt die Staatsanwaltschaft auch den früheren Stadtentwicklungssenator und Ex-SPD-Landeschef Peter Strieder an. Strieder galt schon als Kreuzberger Bürgermeister in den 90ern als der Tempodrom-Förderer. Unter dem Druck der Ermittlungen und Diskussionen um seine Person trat er im April von allen politischen Ämtern und Mandaten zurück. Das sei kein Schuldeingeständnis, betonte Strieder, der inzwischen für eine PR-Firma arbeitet.
Beide hatten im Herbst 2002 als Mitglieder im für die Investitionsbank Berlin (IBB) zuständigen Aufsichtsratsgremium der Landesbank einem Tempodrom-Sponsoring über 1,7 Millionen Euro zugestimmt. Als dritter Senatsvertreter unterschrieb auch Wirtschaftsstaatssekretär Volkmar Strauch (SPD) den Beschluss. Gegen ihn aber stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein – laut Wirtschaftsverwaltung „wegen geringer Schuld“. Das freue Strauch gar nicht, sagte Sprecher Christoph Lang. Strauch habe nicht geringe, sondern keine Schuld.
„Thilo Sarrazin wird im Amt bleiben“, reagierte der Regierende Bürgermeister auf die Anklage. Nach den ihm vorliegenden Informationen sei der Vorwurf der Untreue nicht nachvollziehbar. Indirekt warf Wowereit der Staatsanwaltschaft vor, nicht objektiv zu sein: „Es ist gut, dass die Angelegenheit jetzt von einem unabhängigen Gericht geklärt werden kann.“
Ähnlich äußerte sich auch die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und PDS-Landes- und Fraktionschef Stefan Liebich. Der sah für einen Rücktritt keinen Anlass. „Ein Senator kann solange im Amt bleiben, wie ihm die ihn tragenden Parteien vertrauen“, sagte Liebich. „Was unsere Partei angeht, haben wir dieses Vertrauen.“
Die Opposition hingegen hält Sarrazins Rücktritt für unausweichlich. Überfällig sei er, zu lange hätten SPD und PDS ihre Hände in Unschuld gewaschen, sagte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer. Sarrazin müsse „aus Gründen des politischen Anstands“ dem Beispiel Strieders folgen und sein Amt abgeben. Für die Grünen ist „das Vertrauen in die politische Integrität Sarrazins erschüttert“. Ein Urteil warten sie erst gar nicht ab: Sarrazin habe eindeutig zum Nachteil des Landes gehandelt.
Zurückhaltender gab sich FDP-Fraktionschef Martin Lindner: „Es tut mir leid um ihn, denn ich halte ihn für einen fähigen Senator. Aber es ist für Berlin nicht tragbar, wenn der wichtigste Senator der Landesregierung einen Großteil seiner Zeit vor Gericht verbringen muss.“