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Archiv-Artikel

Schwachsinnsfraktion des Kulturbetriebs

Außen Hitler, innen Gandhi: So wäre „Splatterdandy“ gerne. Der Berliner Musiker hat sich bereits unter wechselnden Pseudonymen hervorgetan. Auf seinem Album „Terrorista“ scheint es nun, als hätte er sich inzwischen in seinem eigenen Universum aus Andeutungen und Zitaten verwirrt

Die Lieblingsgeste von „Splatterdandy“ scheint die Kapriole zu sein. Die schlägt der Berliner Musiker reichlich und aus jeder Lage – offensichtlich, weil er es in keiner Position lange aushält und daher sein Universum aus politischen Parolen, Drogen, unkorrektem Sex, Schwachsinn und Gewalt permanent selbst aufmischen muss.

Der Musiker, der sich hinter verschachtelten Pseudonymen und PR-Legenden tarnt, war zuletzt Teil der Gitarrenband „Wohnung“ und von „No Underground“. Alle anderen Angaben – etwa der obligatorische Job als Leichenwäscher oder das Bekenntnis, Porno-Konsument zu sein, werden so strategisch gestreut, dass es keine Rolle mehr spielt, ob sie nun wahr sind oder eben nicht.

Mit „Terrorista“ legt Splatterdandy nun ein Album vor, dessen 13 Stücke fröhlich in HipHop, Techno und Dub wildern. Das CD-Cover erinnert an Charley Chaplins Hakenkreuz-Variation aus „Der große Diktator“, die mit einer ausufernden „Publikumsbeschimpfung“ aufgepeppt wurde. Das CD-Beiheft besteht vor allem aus Auszügen aus einer Autobiografie, die angeblich 2005 erscheinen soll.

Diese Beweglichkeit, die Splatterdandy an den Tag legt, gilt auch für seine Sampler-Musik, seine Texte, und erst recht für das CD-Booklet und die Videos auf seiner Website. „Wir predigten öffentlich Wein und tranken heimlich Wasser. Und: Wir erzählten allen, dass wir heimlich Wasser trinken, tranken dann aber heimlich Wein“, heißt es im CD-Begleitheft. Womit Splatterdandy sehr treffend sein eigenes Dilemma beschreibt: Wer dermaßen mit Wasser und Wein jongliert, trinkt am Ende zu viel Schorle, muss dauernd aufs Klo und ist trotzdem betrunken.

Was nicht heißt, dass man sich mit Splatterdandy nicht eine Weile köstlich amüsieren könnte, denn im Multimedia-Werk dieses Hansdampf gibt es durchaus jede Menge lustige Details zu entdecken: Refrains wie „Baby-Baby, Bumsen-Bumsen, Baby-Börsenspekulant“, alberne Fotos mit Sido-Maske oder die Selbstbezichtigung als „Schwachsinnsfraktion des Kunstbetriebs“ sind schlicht unterhaltsam.

Das Amüsement entsteht vor allem im Wechselspiel zwischen den verschiedenen Elementen von „Terrorista“. Die Musik in ihrer Unbestimmtheit funktioniert dagegen alleine eher schlecht – ohne das Beiwerk sind die Sounds manchmal einfach zu harmlos. Was Splatterdandy aber auch zum Lehrbeispiel für die Musikindustrie macht. Von Splatterdandy könnte sie lernen, wie man aus solider, eingängiger Popmusik durch fleißige Bastelarbeit ein echtes Unterhaltungsprodukt macht.

Inhaltlich dagegen bleibt der selbst ernannte „Gefangene der Bewegung 11. September“ leider bei einer überbordenden Fülle von Andeutungen, die nicht weitergesponnen oder gar aufgelöst werden. Und das ist gerade heute, wo sich die deutschsprachige Popwelt an der fragwürdigen Wiederentdeckung von diffusen Nationalgefühlen spaltet, eher unbefriedigend.

Im Vergleich mit dem Viva-Hit „Wir sind wir“ von Peter Heppner und Paul van Dyk, der dezidiert linke Bands wie Blumfeld zu Abgrenzungs-Erklärungen nötigt, zeigt sich auch die Schwäche von „Terrorista“: Während van Dyk & Heppner mit wenigen Gesten ein Einverständnis mit ihren Hörern über einen „neuen“ Nationalstolz erreichen, verzettelt sich Splatterdandy in seiner „Disco 911“ in hanebüchenen Versatzstücken.

Ausgerechnet ein Fund aus dem taz-Archiv offenbart, dass dies nicht unbedingt gewollt ist und der Musiker sich in seinem eigenen Universum schlicht selbst verirrt hat. Vor ziemlich genau zwei Jahren vertrat Splatterdandy unter dem Pseudonym „Robert Defcon“ in einer Diskussion zur Bundestagswahl nämlich sehr wohl klare Positionen – da begründete er seine Wahlabstinenz und sonstige Totalopposition ganz ohne doppelte Böden. Sein Kommentar zum grünen Joschka-Slogan „Außen Minister – innen grün“ beschreibt zudem, wie Splatterdandy wohl gerne wäre: „ ‚Außen Hitler, innen Gandhi‘ wäre cool“, gab Defcon damals zu Protokoll.

Bei „Terrorista“ geraten allerdings Außen und Innen mächtig durcheinander – und zwischen Gewaltdarstellung, Koksverherrlichung, Bohlen-Bashing und Selbstkasteiung verlieren wundervolle Zeilen wie „If you’re really hardcore, you gonna stop the war“ die Wirkung, die sie wohldosiert haben könnten.

ANTON WALDT

Splatterdandy: „Terrorista“, Popup