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Archiv-Artikel

Widerstand gegen Merkels Anti-Türkei-Kurs

NRW-Christdemokraten kritisieren Vorstoß von Angela Merkel. Europaabgeordneter Reul verteidigt die Parteichefin

DÜSSELDORF taz ■ Führende Mitglieder der CDU-NRW sind gegen den Plan von Parteichefin Angela Merkel, der Türkei eine Vollmitgliedschaft in der EU zu verweigern. „Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass in der langen Perspektive ein Beitritt der Türkei in die EU auch im Interesse Deutschlands ist“, sagt Bülent Arslan, Vorsitzender des deutsch-türkischen Forums und Landesvorstandsmitglied der NRW-Christdemokraten.

Der Vorstoß Merkels erschwere auch das Ziel seines Parteiforums, Bürgerinnen und Bürger mit türkischem Migrationshintergrund für die Union zu gewinnen. Zu Zeiten von Helmut Kohl sei die Zustimmung zur CDU in dieser Bevölkerungsgruppe größer gewesen, so Arslan: „Das hat sich leider geändert.“ Zwar sei die Außen- und Europapolitik nur ein Randthema des deutsch-türkischen Forums in der CDU, doch viele Deutsch-Türken richteten ihre politische Präferenz auch an der Türkeipolitik der Parteien aus. Das CDU-interne Forum hat in NRW derzeit 400 Mitglieder. Im Januar soll in Berlin auch ein Bundesverband der CDU-Unterorganisation gegründet werden.

Auch der Münsteraner CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz spricht sich gegen die Pläne Merkels aus. „Falls die Türkei die Kriterien zur Mitgliedschaft in der EU erfüllt, muss sie eine faire Chance erhalten“, sagte Polenz der Financial Times Deutschland. Eine EU-Mitgliedschaft des Landes könne helfen, die Kluft zwischen der islamischen Welt und dem Westen zu überwinden.

Herbert Reul, langjähriger Generalsekretär der CDU-NRW und jetzt Europaabgeordneter, verteidigt Merkels Position. „Aus heutiger Sicht hat Merkel Recht“, so der ehemalige Landtagsabgeordnete zur taz. Es müsse beim Thema Türkei um eine „nüchterne Bestandsaufnahme“ gehen. „Auch wegen der Menschenrechts-Problematik bin ich gegen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei“, sagt Reul, der Ende der 1990er Jahre zu den Mitbegründern des deutsch-türkischen CDU-Forums gehörte.

„Leider wird die aktuelle Debatte sehr unsachlich geführt“, sagt Reul. Da sei – auch innerparteilich – Ideologie im Spiel. Für die CDU sieht Reul bei deutsch-türkischen Fragen noch Arbeit. „Wir haben als CDU ein grundsätzliche Image-Problem“, so Reul. Viele Migranten glaubten, dass die Konservativen kein offenes Ohr für ihre Probleme hätten. „Als Volkspartei können wir das nicht hinnehmen, wir müssen für diese Menschen attraktiver werden.“ MARTIN TEIGELER