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Archiv-Artikel

Rente politisch nicht opportun

Castrop-Rauxels Bürgermeister Nils Kruse (CDU) wollte für fünf Jahre Amtszeit Rentenansprüche für 19 Jahre anmelden. Weil das juristisch zwar erlaubt, politisch aber umstritten ist, verzichtet er

VON KLAUS JANSEN

Als Rechtsanwalt lernt man fürs Leben. Vor allem für das Leben in der Verwaltung. Das Jura-Examen, so denkt Nils Kruse, hat ihn perfekt fit gemacht für den Job im Rathaus. Deshalb, folgerte Castrop-Rauxels CDU-Bürgermeister, sollen ihm seine Berufserfahrung als Notar und vier Jahre Studium auch bei der Berechnung seiner Rentenansprüche auf seine fünfjährige Amtszeit als Rathauschef angerechnet werden: 10 + 4 + 5 = 19 Jahre, so die einfache Rechnung.

Doch kurz vor der anstehenden Kommunalwahl hat Nils Kruse offenbar Angst bekommen vor der Rente. Der Verwaltungsantrag für die Pensionsberechnung wurde kurzfristig von der Tagesordnung für die nicht öffentliche Sitzung des Hauptausschusses des Castrop-Rauxeler Stadtrats genommen. „Wir wollten eine Diskussion vermeiden“, sagt Michael Eckhardt, städtischer Beigeordneter für Personalwesen.

Das Ziel, die Pensionsfrage geheim zu halten, hat die CDU in Castrop-Rauxel verfehlt. „Es ist unmöglich, für fünf Jahre Arbeit die Rente für 19 Jahre zu fordern“, kritisiert ein grüner Kommunalpolitiker, der namentlich nicht genannt werden möchte. Und: „Wenn Manager ihre Gehälter offen legen sollen, kann es nicht sein, dass es in der Verwaltung keine Transparenz gibt.“

Juristisch ist die Anerkennung der Ausbildung und Berufstätigkeit auf die Pensionsansprüche einwandfrei. Solange wie im Beispiel des Jurastudiums „Fachkenntnisse erworben worden sind, die für die spätere Tätigkeit förderlich sind“, können sich Bürgermeister diese auch vergüten lassen, heißt es im Beamtenversorgungsgesetz. „Das geht rechtlich absolut in Ordnung“, sagt Janbernd Oebbecke, Verwaltungsrechtler und Leiter des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Münster. Auch die SPD im Stadtrat von Castrop-Rauxel stört sich nicht an Kruses Ansprüchen. „Wir hätten das wohl durchgewunken“, so ein SPD-Ratsherr.

Doch längst nicht alle Bürgermeister nutzen aus, was rechtlich geht. „Das wird unterschiedlich gehandhabt, je nach Durchsetzbarkeit“, sagt Ulrich Krumme von der Westfälischen Versorgungskasse für Beamte. Für ihn ist das Gesetz „wenig transparent.“ Ähnlich fällt auch die Einschätzung des Bundes der Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen aus: „Die Gesetze sind das Problem. Dass ein Bürgermeister die dann ausnutzt, kann man ihm nicht übel nehmen“, sagt Sprecherin Andrea Defeld. Ein Problem sei die Pensionsregelung vor allem dann, wenn Bürgermeister schon vor ihrer Verbeamtung vorgesorgt hätten. „Das läuft dann auf eine Doppelversorgung hinaus“, kritisiert Defeld.

In Castrop-Rauxel allerdings sorgt man sich eher darüber, ob Nils Kruse überhaupt versorgt wird. „Der Bürgermeister geht ein enormes finanzielles Risiko ein, weil er den Antrag zurück genommen hat. Das ist mutig“, sagt der Beigeordnete Eckhardt. Schließlich könne es sein, dass Kruse im Falle einer Abwahl warten müsse, bis er seine Pension bekäme. „Ehrenhafter Verzicht“ statt Raffgier, findet Eckhardt. Und überhaupt solle man doch bitte keine Sozialneid-Debatte anzetteln.