25 Jahre die grüne Familie gepflegt

Burkhard Lange ist ein typischer Grünen-Gründer. Mit anderen niedersächsischen Aktivisten traf er sich einst zur Bildung der Grünen Liste Umweltschutz. Dem kulturellen Aufbruch folgte der politische Ruhestand als Parteiskeptiker

aus HemmingenTilmann Weber

Rote und ockerfarbene Klinker, mit Hecken umfriedete Gärten, Ortsrandlage: Wer hier in der Hemmingen-Arnumer Reihenhaussiedlung lebt, will frei atmen. Bitte keine Umgehungsstraße, wie sie Bewohner der von der B3 zerschnittenen Ortsmitte fordern! Burkhard Lange, Sprecher der Bürgerinitiative gegen den B3-Ausbau, kann vom Wohnzimmer fast den Höhenzug Deister sehen. Er holt tief Luft, kommentiert den Zusammenhang erzbürgerlichen Wohnens mit grüner Position: „Der kulturelle Aufbruch, für den wir antraten, blieb aus.“

Lange hat vor 25 Jahren die Partei mitgegründet. Nun sagt er kühl: „Als die Grünen mir entgegen kamen, indem sie sich von mir entfernten, fiel mir der Abschied nicht schwer.“ Die „grüne Familie“ habe er wegen der von Rot-Grün getragenen Teilnahme am Kosovo-Krieg 1998 verlassen, erzählt Lange. Das Parteibuch aber behielt er und behauptet: „So kann ich noch zu Parteitagen, um aufzumischen.“

Der 61-Jährige ist typischer Gründungs-Grüner, weil er sich in der Parteihierarchie keinen Platz sicherte. Seit 1971 arbeitet er hauptberuflich bei der Akademie für Raumplanung und Landesforschung (ARL) in Hannover. Wut über die Atom-Politik trieb den vormaligen Theologie-, Soziologie- und Wirtschaftsstudenten zur Politik. Die CDU/FDP-Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht plante eine Wiederaufbereitungsanlage im Lichtenmoor bei Nienburg, später in Gorleben – immer da, wo vermeintlich wenig Widerstand drohte.

Als 1977 Carl Beddermann die Grüne Liste Umweltschutz (GLU) zusammentrommelte, war Lange dabei, ebenso 1979 im Bundesprogrammausschuss zur Grünen-Gründung. Er wurde Fraktionschef im örtlichen Rat, mehrmals Vorsitzender des Kreisverbandes (KV) Hannover-Land, führte Regie bei Landesparteitagen, trat 1992 und 1994 als Zähldirektkandidat zu Landtags- und Bundestagswahl an. Die Statistik zählt ihn zu einer raren und doch zählebigen Spezies. Von den 1.500 Mitgliedern, die 1978 zur Vorgängerorganisation der niedersächsischen Grünen, eben der GLU, gehörten, ist Lange einer der Letzten. Nur 77 von 4.600 Landesgrünen sind laut Parteidatenbank seit dem Grünen-Start vor 25 Jahren dabei. Allerdings fehlen bei zehn Prozent die Eintrittsdaten.

Der frühere Fraktionschef in Hannover, Jürgen Isensee, ist Zeuge des Rückzuges: Viele hätten wieder ihre Bürgerinitiativen aufgesucht. „Dort können sie in Ruhe einer Sache nachgehen. Das Partei-Gewusel zwischen vielen Themen war ihnen suspekt.“ Silke Stokar, seit 1982 beim KV Hannover-Stadt und seit 2002 Bundestagsabgeordnete, sieht nur einen Unterschied zwischen Basis-Grünen wie Lange und ihr: „Sie sind Standbein der Partei und halten Kontakte zu den Menschen.“ Stokar dient demnach als Spielbein, blieb nicht stehen.

„Burkhard hat von Anfang an eine stabile Rolle gespielt“, sagt Helmut Lippelt. Der 2002 aus dem Bundestag ausgeschiedene Hannoveraner war 1979 GLU-Vorsitzender und ist einer der Landesgrünen mit den meisten Berufspolitikerjahren. Fakt ist: Lange stemmte sich gegen das Grünen-Establishment – mit Helmut Neddermeyer, dem Partei-Bundessprecher von 1979/1980, der die Grünen inzwischen verlassen hat. Das Duo verkörperte das Gründungsgewissen des KV Hannover-Land gegen den Machthunger des regelmäßig Abgeordnete stellenden KV Hannover-Stadt. Es bestand energisch auf Rotation, Trennung von Amt und Mandat, Basisdemokratie.

Die „grüne Familie“, an die sich Lange erinnert, entstammt einer anderen Zeit. Weil sie im bürgerlichen Lager noch als anstößig galt, duckte er sich auf Parteitagen vor heranrückenden Kameras. Er fürchtete, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn die ARL ihn als Grünen identifizierte. Aber das Fernsehen fokussierte nur auf strickende Ökos und die erotisierende Petra Kelly, die sagte: „Wir müssen zärtlich sein und subversiv.“

Lange, der jetzt in seiner Freizeit oft mit eigener Jolle auf dem Steinhuder Meer segelt, lässt bei solchen Erinnerungen den Oberkörper tänzeln. Vermutlich besteht die „grüne Familie“ ja nicht mehr. Wie weit sich Basis- und Profipolitiker voneinander entfernt haben, bringt erneut Lippelt zum Ausdruck: „Bei Landesparteitagen wunderte ich mich immer, dass es Burkhard noch gab.“