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Archiv-Artikel

Eine Visite auf Isauros Finca

Seit zehn Jahren baut Isauro Dominguez Melgar im Hochland von Honduras „cafe organico“ an. In seinem Dorf gründete sich die Kaffee-Kooperative CARSBIL, der sich Isauro anschloss

VON OLIVER SCHEEL

Isauro Dominguez Melgar lebt im Hochland von Honduras und ist Kaffeebauer. Seit zehn Jahren betreibt der 34-Jährige in San Nicolas unweit der Grenze nach El Salvador eine Kaffee-Finca. Das Besondere daran ist, dass Isauro organischen Kaffee anbaut – zu 100 Prozent. Vor elf Jahren gründete sich in seinem Dorf die Kaffee-Kooperative CARSBIL, der Isauro sich sehr bald anschloss. Nicht alle Bauern der Kooperative produzieren „cafe organico“, der ohne die Zugabe von Insektiziden und Pestiziden wächst. Doch für Isauro stellte sich die Frage „chemischer Kaffee oder organischer Kaffee“ nie. „Dadurch laugt mein Boden nicht aus und ich erziele damit einen höheren Preis“, erzählt er und hält kurz inne. Dann fährt er fort: „Natürlich habe ich viel mehr Arbeit damit.“

Chemisch behandelte Kaffeepflanzen sind wesentlich robuster als die unbehandelten. Diese „cafetales“ können ruhig der Sonne ausgesetzt sein, dadurch werden sie größer und tragen mehr Bohnen als die sensibleren unbehandelten Pflanzen, die viel Schatten benötigen. Um seinen Pflanzen den notwendigen Schatten zu geben, hat Isauro Bananen- und Orangenbäume in seinen Hang gesetzt und eine Menge kleinerer Sträucher. „Die sind wichtig für das Mikroklima.“ Gedüngt wird ausschließlich mit Kompost. Isauro düngt oft, sein Kaffee wächst auf guter Muttererde. Man geht im Kaffeehang wie auf einem dicken Wollteppich. „Ich brauche immens viel Kompost. Ich habe mir dafür aus Kalifornien extra besondere Regenwürmer mitbringen lassen, denn die machen wie die Teufel aus meinem Misthaufen gute Erde.“ Er greift in den Kompost und in seiner Hand wimmelt es von Würmern.

Isauro ist ein ernsthafter Mann, gedankenverloren blickt er über die wunderschöne Hügellandschaft. An klaren Tagen sieht man die Vulkane von El Salvador. Doch für diesen Blick hat er nichts übrig. Isauro hat andere Sorgen, er ist in ständiger Geldnot. Im vergangenen Jahr erntete er knapp neun Quintales, das entspricht etwa 600 Kilogramm organisch angebauter Kaffeebohnen. Dafür erhielt er gut 1.100 US-Dollar. In den Erntemonaten Dezember und Januar pflückte Isauro von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang Kaffeebohnen. Er arbeitete alleine. Seine Kinder waren noch zu klein, um zu helfen, seine Frau musste sich um die Kinder, das Essen und das Haus kümmern. Zwischendurch brachte er die Ernte zur Secadora, wo die Bohnen getrocknet und für den Transport in den Hafen vorbereitet wurden. Auch da musste er mit anpacken. Während der Ernte ist Zeit der kostbarste Faktor im Kaffeegeschäft.

1.100 Dollar für ein Jahr Arbeit. Das reicht auch in Honduras nicht zum Leben, schon gar nicht, wenn man wie Isauro eine Frau und zwei Kinder ernähren muss. Also baut er neben dem Kaffee weitere Produkte für den Eigenbedarf an. Eine positive Nebenerscheinung sind dabei die Schatten spendenden Bananen- und Orangenbäume, deren Früchte eine willkommene Nahrungsergänzung darstellen. Doch das genügt noch nicht. Deshalb hat Isauro im Garten einen Fischteich angelegt, im Hof laufen ein Schwein und mehrere Hühner umher. Wie alle Bauern in San Nicolas baut auch Isauro auf dem letzten Winkel seiner Finca Bohnen und Mais an. Er betreibt eine klassische Subsistenzwirtschaft.

Nur selten kommt Isauro in die nächstgelegene Stadt La Esperanza, um Saatgut und Lebensmittel zu kaufen. Doch seit einem Jahr ist er Mitglied der Exekutive von CARSBIL und seitdem darf er häufiger mit in die Stadt fahren, um dort die Bauern von anderen Kooperativen zu treffen. Isauro versucht, die Gesetze des Handels zu verstehen und liest daher alles, was er über Kaffee, die Kaffeekrise und die Kaffeeröster bekommen kann. „Der Kaffeepreis muss wieder steigen“, sagt er trotzig. Er weiß selbst, dass es im Moment nicht danach aussieht und er weiß auch keinen Ausweg aus der Krise. „Zurzeit können wir den Bauern für ihren Kaffee keine Fixpreise garantieren. Wir machen einfach nicht genug Umsatz.“ Doch da CARSBIL den Bauern schon keinen finanziellen Gewinn bringt, suchen die Verantwortlichen nach Möglichkeiten, die Lebensqualität der Produzenten anderweitig zu steigern. Von den Erlösen richtet die Kooperative derzeit ein „centro de salud“, ein kleines Gesundheitszentrum ein. Die ärztliche Versorgung in San Nicolas ist bisher katastrophal. Der nächste Arzt ist im 60 Kilometer entfernten La Esperanza zu finden und die Straße dorthin ist in einem solch desolaten Zustand, dass die Strecke nicht unter zwei Stunden zu bewältigen ist.

Immerhin, seit es die Kooperative gibt, sind kaum mehr junge Dorfbewohner in die Hauptstadt Tegucigalpa oder in das wirtschaftliche Zentrum San Pedro Sula gezogen, um dort als Tagelöhner anzuheuern. CARSBIL hat den Bauern ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt, das die in der Vergangenheit als Einzelkämpfer arbeitenden Kaffeeproduzenten zusammengeschweißt hat.

Isauro jedenfalls will trotz der großen Armut im Dorf – es gibt weder Strom noch fließendes Wasser – weiterhin „cafe organico“ anbauen. „Was soll ich in der Stadt?“ fragt er, „meine Freunde sind doch alle hier.“

Der Autor hält sich als Stipendiat der Heinz-Kuehn-Stiftung in Honduras auf.