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Archiv-Artikel

EINE BESSERE KITABETREUUNG IST MIT DEN LÄNDERN NICHT ZU MACHEN Doppelzüngige Bildungspolitik

Das ist schön. Prominente Unionspolitiker wie die Vizefraktionschefin Maria Böhmer setzen sich neuerdings vehement dafür ein, die Kindergartenbetreuung ganztägig anzubieten und qualitativ zu verbessern. Früher sahen die Damen und Herren von CDU und CSU die Mütter in der Verantwortung, den Kleinen das Rüstzeug für ihr Leben zu verpassen. Jetzt haben sie dazugelernt: Auch die Gesellschaft hat eine Verantwortung für Kinder unter drei Jahren. Das heißt: Kinder müssen flächendeckend gute Kitaplätze in Anspruch nehmen können.

Nur beharrt die Union gleichzeitig auf der Länderkompetenz in Bildungsfragen. Sie macht diese Zuständigkeitsfrage gerade zum Hauptargument gegen das Kitagesetz von Familienministerin Renate Schmidt. Ja, sie droht sogar, das Gesetz im Bundesrat zu kippen. Das alles macht es nicht leichter, den neu entdeckten Kita-Dringlichkeiten der Union Glauben zu schenken. Denn wenn die jahrelangen Debatten um das miese deutsche Bildungssystem – sei es der Streit um die Ganztagsschulen, um Bildungsstandards oder die Reform der Universitäten – eins gezeigt haben, dann dieses: Mit den Ländern lässt sich das Bildungswesen nicht verändern, geschweige denn verbessern.

Das Zukunftsthema Bildung wird inzwischen nicht nur dem Kompetenzgezänk zwischen Bund und Ländern ausgesetzt, sondern nun auch noch taktischer Parteipolitik. Dass die CDU-Ministerpräsidenten das Kitagesetz blockieren wollen, lässt sich inhaltlich nur schlecht begründen – machtpolitisch aber sehr gut.

Indem die Union das Kitagesetz blockiert, betoniert sie diesen strukturellen Misstand der Bildungspolitik. Sie nährt den Verdacht, dass sie es mit der Einrichtung von Ganztagskindergärten auch in Westdeutschland wohl doch so ernst nicht meint. Leider korrespondiert das – siehe den milliardenschweren Steuervorteil Ehegattensplitting – mit dem Frauen- und Familienbild, dass die Union mehrheitlich noch vertritt: Vati arbeitet, Mutti passt aufs Kind auf. Da kann Frau Böhmer noch so schöne Papiere verfassen. HEIKE HOLDINGHAUSEN