: Clements Traum: Sozialabbau
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hält den Ausbildungspakt für einen Erfolg – trotz 30.000 fehlender Lehrstellen. Vor Unternehmern träumt der SPD-Vize von weiteren Sozialkürzungen
AUS MÜLHEIMANDREAS WYPUTTA
Bei McDonald‘s gibt Wolfgang Clement den Medienprofi. Für die Fotografen posiert der SPD-Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit einem „Big Mac“, isst anschließend sogar einen Hamburger. Wahlkampfwirksam tingelte der Ex-Ministerpräsident mit seiner „Ausbildungstour“ durch Nordrhein-Westfalen, trommelte für mehr Lehrstellen. Seine Bilanz: Der Bauriese Hochtief stellt 25, der Energieversorger Eon 60, der Tankstellenlieferant Lekkerland 70 zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung. Clements Highlight am Freitag aber war McDonald‘s: Die Schnellrestaurant-Kette poliert die Erfolgsbilanz des selbsternannten Machers mit 279 weiteren Stellen auf – bundesweit, versteht sich.
Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Der Minister sorgt für positive Publicity – für sich und die besuchten Unternehmen. Immer wieder bedankt sich Clement artig, lobt die Attraktivität der Bulettenbräter gerade für Jugendliche genauso wie die „qualifizierte Ausbildung“ zum „Fachmann für Systemgastronomie“ – nach der Lehre können die Bewerber schnell zum „Shiftleader“ und sogar zum Restaurantleiter aufsteigen, wirbt die Fastfoodkette. Nur selten überkommt den angestrengt wirkenden Minister ein Anflug von Selbstkritik, doch der wird schell weggewischt: Allem Medienrummel zum Trotz werden am Beginn des Ausbildungsjahres im Oktober wohl „rund 30.000“ Lehrstellen fehlen, räumt er dann ein. Die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft, jedem Jugendlichen eine Perspektive verschaffen zu wollen, funktioniert einfach nicht – die Gewerkschaften rechnen mit mindestens 40.000 fehlenden Ausbildungsplätzen. Macht nichts, meint Clement: Es werde noch „nachgebessert“, sagt er auf der immer leerer werdenden McDonald‘s-Empore.
Eine Stunde später, vor Unternehmern in Mülheim an der Ruhr, wird Clement deutlicher: „Wir haben über 500.000 junge Menschen in Deutschland“, redet sich der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende in Rage, „die noch nie eine Schüppe in der Hand hatten.“ Doch damit sei mit Hartz Schluss: „Für junge Arbeitslose haben wir acht maßgeschneiderte Qualifizierungsmodule“, beschreibt der Arbeitsminister die Politik der Bundesregierung, „eins passt für jeden.“ Wer die nicht annehme, dem droht Clement mit Entzug jeglicher Unterstützung: „Da kann es nur noch Naturalien geben, aber kein Geld mehr.“ Die stolzen Mülheimer Industriellen klatschen, Sozialdemokrat Clement legt noch eine Schüppe nach: „Leider“, sagt er, „konnten wir dies nicht für alle Arbeitslosen durchsetzen.“ Der Applaus wird heftig.
Clement freut sich über das gelungene Heimspiel, gibt den Visionär: Es folgt der ganz große Bogen von gefährlichen Konfrontation mit muslimischen Ländern („vergleichbar mit dem Ost-West-Konflikt“) bis zum Plädoyer für die Stammzellenforschung („vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung auch eine ökonomische Frage, aber das würde ich in dieser moralischen Diskussion nie sagen“). Europa habe die Wahl zwischen Industriemacht und einem vom Umweltschutz gegängelten Reservat, warnt der Minister. „Ich stehe für Dynamik.“ Applaus.