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Archiv-Artikel

Kölner Lokalfürsten wollen Bürgermeister sein

Für Viele sind die Vorsteher der Bezirke die eigentlichen „Bürgermeister“. Kompetenzen haben die Lokalpolitiker zwar nur wenige, aber wenn Verwaltung und Stadtrat ihre Beschlüsse ignorieren, bekommen sie die Bürgerschelte ab

KÖLN taz ■ Wenn Bernd Schößler durch Nippes geht, grüßt ihn fast jeder. „Das ist der Herr Bürgermeister“, kichert einer – und er hat gleichzeitig Recht und Unrecht. Denn der SPD-Mann ist zwar der höchste gewählte Politiker im Stadtbezirk Nippes, und doch darf er sich formal nur „Bezirksvorsteher“ nennen. Diese lokalen Fürsten haben vergleichsweise wenig Kompentenzen, und doch werden sie von den Bürgern als die faktische Nummer Eins wahrgenommen.

Genauso geht das Elisabeth Thelen, „Bürgermeisterin“ der Kölner Innenstadt. Die Grünen-Politikerin will sich künftig auf Landesebene dafür engagieren, dass sie sich auch offiziell so nennen darf. Vereine und gesellschaftliche Gruppen nähmen sie schon als „echte Bürgermeisterin“ wahr. Nicht immer bleibe die Zeit dazu, das in allen Einzelheiten aufzuklären. Bisher sträube sich der Städte- und Gemeindebund dagegen, auch den neun Kölner Lokalfürsten den Bürgermeister-Titel zu gönnen. Schließlich sei die Aufgabe eines Bürgermeisters im ländlichen Raum kaum vergleichbar mit denen in den Kölner Stadtbezirken.

„Stimmt“, meint das Porzer Stadtteil-Oberhaupt Horst Krämer (CDU): „Aber immerhin sind wir als Stadtbezirk alleine größer als unsere Nachbarstädte Siegburg und Troisdorf.“ An ein selbstständiges Porz denke fast 30 Jahre nach der Eingemeindung zu Köln niemand mehr – trotzdem habe man innerhalb von Köln ein starkes Eigenleben. „Kompetenzen muss man sich in diesem Job halt nehmen, sonst hat man keine“, erklärt Krämer schelmisch. Dabei sei es auch nicht schlimm, dass er Bürgerbeschwerden nur als Anregungen an die Verwaltung weiter leiten kann: „Wenn die dann nicht reagieren, muss ich halt nochmal nachfragen – notfalls in einem anderen Ton.“ Wer Krämer kennt, weiß, dass die Beamten dann später nicht gerne noch einmal gefragt werden wollen.

„Für mich war das ein Lernprozess, was ich als Ehrenamtliche mit beschränkten Kompetenzen an praktischer Politik realisieren konnte“, räumt Elisabeth Thelen ein. Die Verwaltung gehe manchmal auf Distanz zu den oft unbequemen Lokalgrößen: „Mir fällt auf, dass ich Informationen mal zielgerichtet bekomme und mal auch zielgerichtet nicht bekomme.“ Problematisch sei das vor allem, wenn die Stadtverwaltung Beschlüsse der Bezirksvertretung – des parlamentarischen Gremiums im Stadtbezirk – nicht oder nur zögerlich umsetzt: „So etwas ärgert mich kolossal. Denn die Leute sprechen mich auf der Straße an und weisen mir als Bürgermeisterin der Innenstadt die Schuld zu.“

„Manchmal scheinen wir für die Verwaltung in der Tat eher ein lästiges Übel zu sein“, empfindet Bernd Schößler. Auch der Stadtrat lasse seinen Bezirk oft hängen, mit eindeutigen Beschlüssen – etwa gegen die Bebauung der Pferderennbahn –setze sich der Rat kaum auseinander. Das mag wohl auch daran liegen, dass in Nippes eine Koalition aus SPD, Grünen und PDS regiert. Mit Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen gebe es aber vielfältige Möglichkeiten, Anliegen der Bürger umzusetzen, glaubt Schößler. An ihm mögen Viele auch seine unkonventionelle Art. Der „Bürgermeister von Nippes“ läuft gerne in legeren Klamotten herum. „Ich entspreche nicht den üblichen Erwartungen an das Outfit und Auftreten eines Bezirksvorstehers“, grinst Schößler. Aber gerade damit schaffe er es, näher an die Bürger heran zu kommen.

Immer wieder wechseln Bezirksvertreter oder -vorsteher in den Stadtrat. Eigentlich eine Chance, um dort endlich mehr Kompetenzen für die „Bürgermeister“ vor Ort durchzusetzen. Aber sobald die Politiker in dem stadtweiten Gremium angekommen sind, vergessen sie anscheinend ihre Herkunft. Eine echte Reform für mehr Bezirkskompetenzen blieb bisher immer auf der Strecke. Frank Überall