: berliner szenen Wie im Krimi
Ernst und präzise
Es war gegen halb zehn. Von Weitem sah man schon das Blaulicht und die Bilder, die einem aus dem Fernsehen vertraut sind. Fünf oder sechs Polizeiwagen und ein Notarztwagen standen auf der T-förmigen Kreuzung Riemann Ecke Zossener Straße. Es sah aus wie ein Krimi im blau flackernden Licht. Polizisten bildeten einen großen Kreis um einen, den man nicht sah, und schirmten ihn mit einem weißen Sichtschutz ab vor den Blicken der Menge, die dicht gedrängt um die Polizisten herumstand. Da und dort, wie die Seiten eines Karos, hatten die Polizisten rot-weißes Plastikband gespannt. Zunächst dachte ich, jemand hätte sich aus dem Fenster oder vom Balkon gestürzt. Ein türkischstämmiger Mann sagte, es hätte eine Schießerei gegeben.
Näher an den Polizisten hörte ich einen jungen Türken sagen, der, der da liege, und den man nicht sah, sei aus nächster Nähe erschossen wurden. Man sah nur einen kräftigen Notarzt in Orange, der wohl Herzmassage machte. Rhythmisch drückte er auf den von ihm Verdeckten und man dachte, der stirbt jetzt. Die Leute auf der Straße wirkten gedämpft, wie sie in Grüppchen standen und einander das – in präzisen Worten wie mir schien – erzählten, was sie von dem Geschehenen gesehen oder gehört hatten. Die Versionen waren unterschiedlich. Eine Frau vor einer Kneipe erzählte, sie hätte einen Autounfall gesehen. Ein Taxi sei mit achtzig in die Zossener Straße gerast und hätte jemanden umgefahren. Plötzlich rannte eine Gruppe von Jugendlichen zu dem Kreis, den die Polizisten um den Verletzten gebildet hatten. Sie wollten zu dem Verletzten, der wohl ihr Freund war, und rangelten kurz mit den Polizisten. Als ich ging, liefen zwei Männer mit einer Kamera an mir vorbei.
DETLEF KUHLBRODT