: Feuerwerk bis zum Ende
Das MoMA war der Superlativ im Berliner Kunstsommer. 1,2 Millionen sahen die Schau, jetzt ist sie vorbei, die Legenden beginnen
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Seit Sonntagnacht ist Berlins „Ausstellungssommer 2004“ vorbei. „MoMA in Berlin“ ist Legende. Ganz augenscheinlich war das Ende des Kunstevents am Montag rund um die Neue Nationalgalerie an der Potsdamer Straße: Keine Besuchermassen drängten sich mehr – nach Stunden des Anstehens – in das Museum, keine Pkws parkten dort Quadratzentimeter-eng im absoluten Parkverbot wie noch in den letzten Tagen. Keine „MoMAnizer“, jene Kunststudenten, die Besuchern die Meisterwerke der Moderne erklärten, lockerten die Stimmung auf der Terrasse auf. Keine Physiotherapeuten, Musiker, Schlafsäcke Kunstliebhaber mehr, kein Anstehen, kein Hype, kein, kein, kein …
Das kulturelle und soziale Vakuum vor Ort und in den Köpfen haben gestern die Veranstalter der MoMA-Schau, die Freunde der Nationalgalerie und ihr Vorsitzender Peter Raue, Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Berliner Museen, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Glenn Lowry, Direktor des New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) zum Anlass genommen, Bilanz zu ziehen und natürlich einen außerordentlichen Erfolg zu feiern: Legendenbildung also war angesagt. Mit „nichts war so sexy wie MoMA in diesem Sommer“ machte Schuster den Anfang.
Mit dem Superlativ im Rücken konnte Raue ganz bescheiden-selbstbewusst von einer „schwarzen Null“ berichten, die die Kunstausstellung in den drei Monaten eingespielt habe. So seien die Kosten für die Schau dank des enormen Publikumserfolgs, erweiterter Öffnungszeiten, zusätzlichem Personal, Service, neuer notwendiger Klimatisierung sowie Katalog- und PR-Material zwar von geplanten 8 Millionen Euro auf 12,5 Millionen gestiegen. Die 1,2 Millionen Besucher der 200 Meisterwerke der Moderne – die aus New York entliehen wurden, während dort renoviert wurde – hätten aber auch die „schwarze Null, nämlich einen überraschenden Gewinn von 6,5 Millionen Euro“ in die Kassen gespült.
Hinzu kam, dass die Übernahme der Versicherungskosten durch den Bund, der günstige Dollarkurs und ein Zwischenkredit des Hauptsponsors Deutsche Bank für Entlastungen des Budgets gesorgt hätten. Allein durch den niedrigen Dollarkurs sparten die Ausstellungsmacher 1,7 Millionen Euro, sagte „Freunde“-Schatzmeister Hans Georg Oelmann.
Raue war aber noch auf andere Zahlen und Figuren der „größten Ausstellung“ in der Geschichte der Nationalgalerie aus: 200.000 Kataloge wurden verkauft. Vor den Werken Monets, Vincent van Goghs, Pablo Picassos oder Jackson Pollocks versammelten sich durchschnittlich 6.500 Besucher pro Tag. Die längste Wartezeit habe für einen MoMA-Wahnsinnigen 12 Stunden betragen. Über 10 Stunden hielt es im gleichen Monat ein Kunstfan in dem Museum aus. „Die schlechteste Luft“, wegen ständiger Überfüllung herrschte aber in den Räumen des MoMA-Shops, der allein 580.000 Postkarten und andere Kunstverkaufsschlager umsetzte. 3.600 Artikel seien in den Medien erschienen – „danach reduzierte sich unser Werbeetat“, so Raue. Und schließlich seien 85 Prozent der Besucher mit der Ausstellung zufrieden gewesen. Chapeau, Mr. Raue.
Auch MoMA-Direktor Glenn Lowry zeigte sich „überwältigt“ vom Erfolg. Raue hatte Lowry am Sonntagabend aus New York einfliegen lassen und ihm die lange Schlange vor Ort gezeigt. Gleichzeitig wies der New Yorker Vorwürfe zurück, die Bilderauswahl sei eine „amerikanische Unfehlbarkeitserklärung“ gewesen. Die Präsentation sei kein „Kanon“ der Moderne, sondern ein Überblick der MoMA-Sammlung als wichtigste Kunstkollektion des 20. Jahrhunderts.
Der 6-Millionen-Überschuss wird jetzt in neue Kunstprojekte des Vereins fließen, sagte Peter-Klaus Schuster. Und auch er hatte Teil am Superlativ: Entgegen anders lautenden Meldungen habe auch die Gemäldegalerie von MoMA profitiert. 10.000 seien dort pro Woche reingegangen – am 28. August waren 11.800 im MoMA. Tagesrekord.