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Archiv-Artikel

Die Fonds spielen in der ersten Bundesliga

Finanzplatz-Serie, 5. und letzter Teil: 15 Millionen Bundesbürger besitzen Fondsanteile. Die Investmentbranche ist auf Erfolgskurs und trotzt dem Tief an den Börsen. Auf die Unterstützung der Bundesregierung kann sie sich verlassen

HAMBURG taz ■ Die Fondsbranche hat es geschafft, zumindest in die erste Bundesliga. Dort laufen HSV und VfL Bochum mit den Logos von Adig und DWS auf den Platz. Die spielende Reklame zeigt das neue Selbstbewusstsein der Erfolgssparte Nummer eins am Finanzplatz Deutschland.

Neidisch bestaunten viele Bundesbürger Mitte der Neunzigerjahre die weltweit rasenden Börsenkurse. Ihre eigenen Spargroschen lagen derweil noch auf Sparbüchern mit mickrigen Zinsen. Erst durch die Privatisierung der Deutschen Telekom AG 1996 brach das Börsenfieber aus, das in den USA schon seit den Fünfzigerjahren grassiert. Da sich für Kleinaktionäre der Kauf einzelner Wertpapiere wegen der hohen Bankgebühren eigentlich verbietet, flossen bald Milliarden in Investmentfonds. Der von Wirtschaft und Politik bejubelte moderne Volkskapitalismus ließ die jahrzehntelang dahindümpelnde Investmentbranche endlich boomen.

Gefördert wurde und wird dieser Finanzkapitalismus für Amateure von den Bundesregierungen jeglicher Couleur. Sie liberalisierten den Markt und reformierten das vermögenswirksame Sparen. Wer seither die vollen staatlichen Prämien kassieren will, kommt um einen Aktienfonds kaum noch herum. Heute besitzen etwa 15 Millionen Bundesbürger Anteile an einem der 2.454 Publikumsfonds.

Selbst das Drehen an der Gebührenschraube oder das ausdauernde Börsentief seit März 2000 konnten die Fondsgesellschaften nur kurzzeitig stoppen. Die Anleger schichteten friedlich ihr (verbliebenes) Geld in relativ sichere Renten- und Immobilienfonds um und legen seither wieder laufend neues dazu. Heute ist die Bundesrepublik der wichtigste Markt in Europa. 798 Milliarden Euro verwalten hiesige Fonds, dazu noch etwa 500 Milliarden in Luxemburg. Ähnlich fondsbegeistert sind nur noch Franzosen, und selbst die britischen Erfinder der Fonds haben das Nachsehen (385 Milliarden Euro).

Vor allem die im vergangenen Jahrzehnt rapide gewachsenen Aktienfonds sehen sich in einer überaus komfortablen Lage. Ihr Wachstum habe zu „einer Verschiebung der Eigentumsverhältnisse“ in der deutschen Wirtschaft geführt, heißt es beim Bundesverband Investment und Asset Management (BVI). In Zukunft will man die Macht stärker nutzen und nach amerikanischem Vorbild direkten Einfluss auf die Konzerne nehmen. Verbandspräsident Axel-Günter Benkner schaut optimistisch in die Zukunft. Die galoppierende Rentenangst treibt über Riester-Renten und fondsgebundene Lebensversicherungen noch mehr Ängstliche in die Arme der Fonds. Obendrein wird die zunächst mit Argwohn begleitete Reform des europäischen Investmentrechts ISD – dank einer Intervention aus Berlin – im Sinne der Finanzbranche ausgehen. Künftig sollen keine verbraucherfreundlichen Hürden das Geschäft der freien Finanzberater belasten, und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) befürchtet „niedrigere Anlegerschutzstandards“.

Darüber dürften sich die Kicker in Hamburg und Bochum keinen Kopf machen, ebenso wenig wie darüber, wer hinter ihren Werbepartnern steht, im Falle Adig ist es die Commerzbank, im Falle des Branchenführers DWS die Deutsche Bank.

HERMANNUS PFEIFFER