Rückzug oder nur Umzug?

Nach UN-Resolution und US-amerikanischem Druck zieht Syrien Truppen aus Beirut ab und verlagert sie an die syrische Grenze. Zahl und Ausmaß des Rückzugs weiterhin unklar. Gespaltenes Verhältnis der libanesischen Gesellschaft zu den Besatzern

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Syrien hat am Dienstag mit einer Neugruppierung und einem Teilrückzug seiner 16.000 bis 20.000 Mann starken Truppen im benachbarten Libanon begonnen. Damit reagierte Damaskus auf internationalen und besonders US-amerikanischen Druck, der sich in den letzten Wochen gegen die seit 28 Jahren andauernde syrische Militärpräsenz im Libanon aufgebaut hatte.

Vor drei Wochen hatte der UN-Sicherheitsrat mit einer hauchdünnen Mehrheit die Resolution 1559 verabschiedet, die den Rückzug ausländischer Truppen aus dem Libanon und freie Wahlen ohne äußere Einmischung forderte. Neben den USA hatte überraschend auch Frankreich die Resolution unterstützt.Vor 11 Tagen war US-Sondergesandter William Burns nach Damaskus gereist, um die Forderung erneut zu unterstreichen.

Unklar ist weiterhin, wie viele syrische Soldaten tatsächlich abgezogen werden und ob sie das libanesische Territorium ganz räumen. Am Dienstag begannen syrische Truppen ihre Stützpunkte südöstlich der Hauptstadt Beirut zu verlassen, diese wurden von der libanesischen Armee übernommen. Ein hoher libanesischer Regierungsbeamter sprach von einem Zwei-Phasen-Plan. Dem gestrigen Rückzug soll demnach der Abbau mehrerer Stellungen nordöstlich Beiruts folgen, die dort abgezogenen Soldaten sollen sich dann in der östlichen Bekaa-Ebene, direkt an der syrischen Grenze, sammeln.

Der libanesische Verteidigungsminister Mahmud Hammud erklärte, dieser Schritt sei ein Zeichen für die wachsende Stabilität des Libanons. Die UN-Resolution 1559 erwähnte er nicht. Ein Sprecher des libanesischen Präsidenten Emile Lahoud antwortete auf die Frage, ob es sich um einen geheimen amerikanisch-syrischen Deal handle, dass das „syrisch-libanesische Verhältnis einen Höhepunkt der Zusammenarbeit erreicht hat und nicht irgendeiner Feilscherei zum Opfer fallen wird“. Das offizielle Damaskus hüll- te sich wie üblich in Schweigen.

Syrische Truppen kamen erstmals 1976 ins Land, um den zu der Zeit ein Jahr andauernden Bürgerkrieg einzudämmen. Doch die Truppen blieben nach Ende des Krieges 1990 im Land und zogen auch nicht ab, als dies eigentlich im Abkommen von Taif für spätestens 1992 beschlossen worden war. Aus syrischer Sicht, die auch von der Arabischen Liga übernommen worden ist, waren die syrischen Truppen im Libanon stets ein Gegengewicht zu den israelischen Truppen im Süden des Landes. Ein Argument, das allerdings nach dem Abzug der Israelis aus dem Südlibanon im Jahr 2000 stark an Gewicht verloren hat.

Die libanesische Gesellschaft ist bis heute gespalten über die syrische Präsenz. Viele sehen die Syrer heute noch als einen Stabilitätsgaranten, der einen erneuten Ausbruch eines Bürgerkrieges verhindert. Andere bezeichnen die Syrer als Besatzer. Der zweite Flügel war vor wenigen Wochen gestärkt worden, als Damaskus eine libanesische Verfassungsänderung durchsetzte, die eine dreijährige Amtsverlängerung für den syrienfreundlichen Präsidenten Emile Lahoud ermöglichte. Mit dem steigenden Unmut im Libanon selbst und dem wachsenden Druck aus Washington, Paris und der UN fühlte sich die Regierung Baschar al-Assad nun wohl gezwungen zu handeln. Übrigens nicht das erste Mal: Erstmals ausgedünnt wurden die damals 35.000 im Libanon stationierten Syrer bereits im Jahre 2001. Dem folgten drei weitere Teilrückzüge. Ob die neuerliche Verkleinerung des Kontingents allerdings am Ende den UN-Sicherheitsrat überzeugen wird, bleibt fraglich. UN-Generalsekretär Kofi Annan muss dem Rat in zwei Wochen erstmals über die Erfüllung der Resolution 1559 Bericht erstatten.

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