Bildungslücke in Lernstandards

betr.: „Politik der leeren Köpfe“, taz vom 11. 10. 03

Auf Lehrer eindreschen ist in Deutschland ein Volkssport geworden. Auch Ralph Bollmann darf sich des Beifalls sicher sein, wenn er schreibt: „Solange der Wille zu einer wahren Kulturrevolution im deutschen Bildungswesen nicht vorhanden ist, solange Lehrer ihren Beruf als Halbtagsjob begreifen und die fällige Professionalisierung verweigern, wäre jeder zusätzliche Euro nur verschenkt.“

Dem möchte ich – Gymnasiallehrer in Baden-Württemberg – entgegnen, dass bei einem derart undifferenzierten und unprofessionellen Journalismus ebenfalls jeder Euro für eine Zeitung verschenkt ist! In jedem Beruf gibt es schwarze Schafe. Wer aber glaubt, die Arbeit eines Lehrers wäre mit dem Unterrichten erledigt und er könnte sich in der restlichen Zeit seinen Hobbys hingeben, der hat überhaupt keine Ahnung von diesem Beruf. In diesem Jahr wurden für Lehramtsstudenten in Baden-Württemberg erstmals wieder Praktika an Schulen angeboten. Wie wäre es, wenn all diese neunmalklugen Lehrerkritiker einmal in einem längeren Praktikum Schule live und in der Praxis erleben dürften? Vielleicht wäre dann mein Berufsstand weniger unqualifizierten Kritiken ausgesetzt! JOACHIM WIRTH, Tübingen

Als langjähriger Leser und Abonnent Ihrer Zeitung bin ich unangenehm berührt von Ihrem niveaulosen Kommentar. Nur so viel: Durch eine von einem unabhängigen Institut durchgeführte Arbeitszeiterhebung bei Lehrern wurde während der Unterrichtszeit eine wöchentliche Arbeitszeit von 45,5 Zeitstunden ausgehend von einer 38,5-Stunden-Woche für Arbeitnehmer errechnet.

Wie man diesen Tatbestand als Halbtagsjob beurteilen kann, muss für mich einer anderen Mathematik als der mir vertrauten zugerechnet werden. Vielleicht tut sich hier eine Bildungslücke in Lernstandards auf. Sehr dankbar wäre ich, wenn Sie einmal in einem Beitrag genau aufführen könnten, was Sie denn nun konkret unter Professionalisierung verstehen wollen. Im Übrigen gilt immer noch die sehr humane Erkenntnis: Den Nürnberger Trichter gibt’s bei aller Professionalisierung bis heute noch nicht – oder sollten Sie ihn inzwischen er- oder gefunden haben?

ERHARD PASCH, Mönchengladbach

Ein Hoch auf Herrn Bollmanns vollen Kopf! Er hat es erfasst, ist aber leider nicht konsequent genug. Die Forderung muss heißen: Überhaupt kein Geld mehr von unseren Steuern für die Schulen! Gemäß den anderen Verformungen bei Rente, Gesundheit, Arbeitsmarkt, die Herr Bollman so lobt, muss auch das Bildungssystem privatisiert werden. Dann müssten – zumindest in den von den Linken beherrschten Ländern – die unprofessionellen Halbtagsjobber in den kleinen kuschelig pädagogisierten Klassen was leisten und könnten endlich die Kinder aus den bildungsfernen Schichten auf den rechten Weg des sozialen Aufstiegs bringen.

Aber, Herr Bollmann, es gibt Hoffnung, dass nicht mehr jeder Euro, und schon gar kein zusätzlicher, verschenkt wird. In den Ländern NRW und Berlin sind die Linken zur Besinnung gekommen, es gibt erste Schritte: Arbeitszeiterhöhung mit Gehaltseinbußen für die Halbtagsjobber und Kuschelpädagogen sowie ihre weiblichen Pendants. Und die kleinen Kuschelklassen sind auch verschwunden. MONIKA DOMKE, Köln