Urdrues wahre Kolumne
: Bis es zu spät ist

Gaaanz toll, dass die Bremer Kunsthalle jetzt auch schon für die auf Unikat getrimmten Jacken und Hosen von Karstadt Reklame macht und dafür ihre Mitarbeiter als Models in diese Plünnen steckt, auf dem Catwalk zwischen Kupferstich und Öl. Wenn dann auch noch in einer fotorealistischen Dokumentation der Arbeits- und Lebenswirklichkeit von VerkäuferInnen in liberalisierter Öffnungszeit die Krampfader zum Kunstobjekt erhoben wird, entwickelt sich das großbürgerliche Kunstinstitut noch zur sozialen Skulptur …

Was sich die Bremer Musical Company da als Argumentationskette für den dreisten Zugriff auf die Waldauweihnachtsmärchen-Tradition ausgefummelt hat, klingt so sehr nach BWL-Studikers Trickkiste, dass diese Schnösel vor Scham rot anlaufen oder gleich als Drücker beim Ganzgemeinen Wirtschaftsdienst oder als Saalverkäufer für Rheumadecken anheuern könnten. Aber reichlich Theaterschminke macht aus jedem Strizzi noch den Gentleman – bis dieser Typus dann ins Schwitzen kommt und der ganze Putz zerfließt! Ansonsten gilt: Wir wollen Rumpelstilzchen – alles andere hat dir der Teufel gesagt!

Angesichts der allgemein laxen Sicherheitsvorkehrungen auf Helgoland diskutierte ich bereits vor Jahren mit meinem inzwischen verstorbenen Freund Thomas Hirsch unweit der Langen Anna die Möglichkeiten eines Überfalls mit Spielzeugpistolen auf die spirituösen Tageseinnahmen des Fuselfelsens, scheiterten aber mit unseren selbstverständlich rein theoretischen Überlegungen an der Frage, wie man nach dem Coup als Nicht- Skipper das Felseneiland unkontrolliert verlassen könnte. Dass es, wie das Schicksal der jetzt erwischten Juwelendiebe zeigt, immer noch Menschen gibt, die solche Gedankenspiele nicht bis zum Ende durcharbeiten, bestärkt mich in meiner Vision, irgendwann einmal eine berufsqualifizierende Privatschule zu eröffnen. Versierte Krimiautoren dürfen sich schon mal als Dozenten bewerben …

Das Space Center als Muster ohne jeden Restwert? Dabei könnte man doch mit dem Leerstandsobjekt so viel Gutes tun! Für einen Euro kauf ich gern den ganzen Scherbel auf und schließe mich mit außerirdischen Investoren zusammen. Schließlich haben Ufos immer noch keine terrestrische Basis und die Schar heimatlos über diesen lonely Planet pilgernden Aliens nimmt Woche für Woche zu, wie man einschlägigen Magazinen entnehmen kann, die mindestens so glaubwürdig sind wie die Makulaturpapiere der Projektentwickler.

An meiner Haustür klingelt ein älterer Herr mit einem etwa zehnjährigen Knaben an seiner Seite, dem aber der Ernst des Lebens schon ins Gesicht geschrieben ist. Der Mann im modischen Outfit eines Bestattungsunternehmers hat eine wichtige Botschaft für mich, ich allerdings keine Zeit, wie ich immerhin durch die aromatischen Schwaden des Gulasch belegen kann, das auf dem Herd seiner Vollendung entgegenbrutzelt. Der blasse Knabe flüstert: „Die haben immer alle keine Zeit …“ und der potenzielle Künder des nächsten Weltuntergangs presst schmallippig, aber nicht ohne Triumph hervor: „Bis es zu spät ist.“ Ich bitte um eine zweite Chance! Ulrich
„Stop it“ Reineking