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Archiv-Artikel

Rosige Aussichten am Sandstrand

Die deutschen Beachvolleyballer haben bei der WM die Gruppenphase überstanden. Nun hoffen sie auf Regen

BERLIN taz ■ Für Touristen wäre ein Aufenthalt an der Copacabana derzeit kein erholsames Vergnügen. Seit Tagen nieselt es vor sich hin, und Ruhe fände man überall anders – nur nicht an Brasiliens berühmtestem Strand. Der wilde Zuschauerzuspruch am Wallfahrtsort der Beachvolleyballer während der WM ist für viele Teilnehmer eine neue Erfahrung; meist als Randsportart ein unbeachtetes Dasein fristend, gilt Beachvolleyball in Brasilien als Volkssport. Erstmals dauert eine WM – auf Wunsch des brasilianischen Fernsehsenders TV Globo – zwei Wochen. Jedes Spiel wird live übertragen, in Europa übernimmt das Eurosport (heute 16 bis 19 Uhr live).

„Das Publikum ist sehr enthusiastisch. Es bepöbelt auch gern die Gegner der Brasilianer, was wieder einen besonderen Reiz ausmacht“, erzählt Niklas Rademacher. Der 21-Jährige, erstmals bei einer WM dabei, durfte diese Erfahrung in der Gruppenphase gegen das brasilianische Tandem Harley/Franco machen. Er schloss sie erfolgreich ab: Gemeinsam mit seinem Partner David Klemperer (23) konnten die 29. der Welt die Siebten der Weltrangliste vor deren Heimpublikum besiegen. Ohnehin scheinen sich die deutschen Volleyball-Touristen mit dem eigenwilligen Wetter gerade in Rio sehr wohlzufühlen. „Wenn das deutsche Wetter hier anhält, werden sich die Brasilianer irgendwann noch fragen: Wo ist denn unser Heimvorteil? Das könnte unsere Chance sein“, sagt Hinnerk Femerling, Beachwart im Deutschen Volleyball-Verband (DVV).

Prompt haben alle vier Herrenteams die Gruppenphase überstanden und die Runde der letzten 32 erreicht. Mit den an vier gesetzten Markus Dieckmann und Jonas Reckermann, Christoph Dieckmann/Andreas Scheuerpflug (12. der Weltrangliste) und dem Duo Klemperer/Rademacher sogar drei von ihnen als Tabellenerste. Lediglich die einstigen Ikonen des Beachsports in Deutschland, also Axel Hager und Jörg Ahmann, Bronzemedaillengewinner in Sydney, rutschten gerade noch als Tabellendritte in die nächste Runde.

Bei allem Konkurrenzkampf um die zwei Plätze, die Deutschland für die Olympischen Spiele in Athen zu vergeben hat, bleibt die Stimmung unter den Teams entspannt. Wobei Ahmann/Hager nur noch theoretische Chancen auf eine erneute Olympiateilnahme besitzen und in der WM-Runde der letzten 32 im nationalen Duell Klemperer/Rademacher schlagen müssten. Laut Femerling dürfte das schwer werden, da Klemperer/Rademacher „einen großen Sprung nach vorn gemacht haben und unsere Hoffnung für die Zukunft sind“. Doch die Olympia-Teilnahme 2004 der Dieckmann-Brüder mit ihren Partnern Scheuerpflug und Reckermann ist andererseits auch durch sie kaum noch zu gefährden.

Was zeigt: Der DVV blickt in der Sparte Beach einer rosigen Zukunft entgegen. Zahlreiche Erfolge im Jugendbereich sowie die Etablierung junger Teams in der Weltserie helfen dem Verband auch finanziell. Die Fördergelder richten sich vor allem nach sportlichem Erfolg, der in der klassischen Hallenvariante nur sporadisch gelingt. Am Rande der Hallen-EM der Männer in Deutschland wurde gar bekannt, dass die Beachsparte den Hallensport zu Teilen mitfinanziert. Das weckt natürlich Ansprüche und Begehrlichkeiten. Derzeit streiten sich die Beacher mit dem Verband um die Bezuschussung der Heimtrainer. Götz Moser, DVV-Vizepräsident, stellt deshalb vorsichtshalber schon mal klar, „dass Beachvolleyball nie den Stellenwert bekommen wird, den die Halle hat. Aber wir werden den Sandsport mehr fördern.“ Dass der Verband die Nationalteams allerdings selbst beim Werben um externe Fördermittel beschränkt, wirkt anachronistisch. Die Teams müssen sich derzeit ihre persönlichen Vermarktungsrechte vom Verband freikaufen.

Auch Klemperer/Rademacher, die mit zwei Trainern zu den Turnieren reisen, setzen sich dafür ein, dass Beachvolleyball weiter professionalisiert wird. Für die Weltserienturniere beispielsweise wünschen sie sich eine verbesserte medizinische Betreuung. „Hier in Rio haben wir einen deutschen Arzt und einen Physiotherapeuten, das würde ich mir für jedes Turnier wünschen“, sagt Niklas Rademacher. Wobei auch das noch Strukturen sind, die im Vergleich zum fünfköpfigen Trainergefolge brasilianischer Teams beinahe lächerlich wirken.

Wenigstens kann die Masse an Trainern nicht das Wetter beeinflussen. In der Vergangenheit haben südländische Teams bei Regenspielen oftmals den Kürzeren gezogen. „Das war das große Plus von Ahmann und Hager in Sydney im Spiel um Platz drei: Es regnete aus Kübeln – und die Portugiesen bekamen plötzlich Probleme“, erinnert sich Beachwart Femerling, der seiner Sparte neben einem weiteren Erfolg auch einen Geldregen wünscht.

OKE GÖTTLICH