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Archiv-Artikel

Polizei filzt fürs Fernsehen

Am Samstag überprüfte die Hamburger Polizei öffentlichkeitswirksam rund 1.800 Kiezgänger. Die magere Ausbeute: Drogen in geringer Menge, ein paar Messer, Schlagstöcke und Pfefferspray

VON JONAS NONNENMANN

Kaum hat die junge Frau das Ende der Rolltreppe erreicht, steht sie 100 PolizistInnen gegenüber. Wie am Flughafen muss sie ihre Tasche abgeben und wird mit einem Metalldetektor abgetastet.

Darauf haben die Fernsehleute gewartet – erwartungsvoll richten sie ihre Kameras auf die Kontrollierte. Sie schaut verdutzt, beantwortet aber alle Fragen. Waffen oder Drogen? Hat sie keine dabei. Trotzdem gut für die Einschaltquote, denn die Frau ist hübsch.

„Wir wollen ganz bewusst ein Zeichen setzen“, sagt Kuno Lehmann, Hamburgs leitender Polizeidirektor. Ziel der Kontrollen sei es, Gewalttaten und Raub unter alkoholisierten Jugendlichen zu vermeiden. Dazu fährt die Polizei schweres Geschütz auf: 330 Hamburger PolizistInnen sind laut Lehmann im Einsatz, außerdem rund 90 Beamte der Bundespolizei. Und wenn sie Waffen finden? „Dann ziehen wir sie ein. Außerdem verhängen wir ein Bußgeld,“ sagt Lehmann. Zusammen kontrollieren die Hundertschaften ab 23 Uhr die Zugänge zur Reeperbahn. Und damit ganz Deutschland erfährt, dass in Hamburg etwas getan wird, ist natürlich die Presse dabei. Schließlich haben sich laut Kriminalstatistik im vergangenen Jahr Tötungsdelikte nahezu verdoppelt, auch Gewaltdelikte haben zugenommen und die Polizei will sich positiv darstellen. Darum haben sich von RTL über Bild und Mopo Hamburger Journalisten in der S-Bahnhaltestelle versammelt. Kurz vor Mitternacht wird öffentlichkeitswirksam der erste Passant abgeführt. Der Verdächtige schaut mit demselben stoischen Blick dreinwie alle, die an jenem Abend im Polizeiwagen landen.

Auffällig ist, dass vor allem Jugendliche und Menschen mit Migrationshintergrund kontrolliert werden. Ein Mann Ende 20 hat seinen Ausweis nicht dabei, dumm gelaufen. Eine halbe Stunde später steht er immer noch da, seine Daten werden überprüft.

„Bin ich jetzt im Fernsehen?“, frage ein Vorbeigehender. Einige PassantInnen laufen in den Bereich, in dem Personen durchsucht und gefilmt werden. Ob sie betrunken sind oder ins Fernsehen wollen, bleibt unklar.

Die PolizistInnen des Kontrollpostens am Millerntorplatz sind bereits von weitem zu sehen. Dort ist die Stimmung gedrückt, vielleicht wegen der eisigen Kälte. Und hinter vorgehaltener Hand sagt ein Polizist, dass der Einsatz nichts als eine Presseschau sei. Wer Drogen oder Waffen dabei habe, weiche den Kontrollen aus.

In der Silbersackstraße sorgt gegen zwei Uhr ein Jugendlicher für Aufregung, indem er mit einer Flasche in der Hand schreiend hinter einem anderen herrennt. Als zwei PolizistInnen ihn in abfangen, erschrickt der junge Mann so sehr, dass er kaum sprechen kann. Gefährlich sieht er nicht aus. Später präsentiert Rüdiger Carstens von der Bundespolizei eine erste Zwischenbilanz: Gewalttaten gab es bisher keine, immerhin wurden einige wenige Messer, Schlagringe und Teleskopschlagstöcke beschlagnahmt. Der größte „Erfolg“ scheint der Aufgriff von vier illegalen EinwanderInnen zu sein. „Beifang“ nennt Carstens das.

Gegen drei Uhr hat sich die Zahl der KiezgängerInnen fast halbiert. Die Straßen sind voll Müll, auf der Bahnhofstreppe liegen Scherben.

Eine Stunde später sind am Millerntorplatz keine Blaulichter mehr zu sehen, aber die PolizistInnen an der S-Bahn halten weiter ihren Posten. Ein Mann schreit vor dem Fahrkartenautomat einen anderen an, zwei PolizistInnen beruhigen ihn. Eine Szene, wie sie das Fernsehen gerne zeigt. Von den Kameras ist um diese Uhrzeit allerdings nichts mehr zu sehen.