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Archiv-Artikel

Ein Mordverdächtiger, staatlich überprüft

Dem Verfassungsschutz schien Thomas A. zu dubios für einen V-Mann-Job. Hat er jetzt drei Menschen erschossen?

In Scorseses „Taxi Driver“ fährt ein Vietnam-Veteran nachts durch New York, weil er unter Schlaflosigkeit leidet. In sein Tagebuch schreibt er: „Ich hoffe, eines Tages wird ein großer Regen diesen ganzen Abschaum von der Straße spülen.“ Und irgendwann läuft er Amok. Auch Thomas A. ist jahrelang Taxi gefahren. Zuvor, in den 1970er-Jahren, kämpfte er als Söldner in Rhodesien und in Südamerika. Und auch er lief Amok.

Am Dienstag vorige Woche betrat Thomas A. zusammen mit seiner Freundin die Kanzlei des Rechtsanwalts Hartmut Nickel im rheinischen Overath. Er habe einen Termin, gab er vor. Als die Ehefrau Nickels nachfragte, zog der 45-Jährige eine „Pumpgun“ aus seiner Tasche. „Da siehst du, was das für ein Termin ist“, sagte er und drückte ab. Dann erschoss er auch den Anwalt und dessen Tochter. So zumindest schildern die Ermittler den Tatablauf.

Wer ist Thomas A.? Bekannt ist, dass er vor dem Abitur die Schule abgebrochen hat, danach bei der Fremdenlegion anheuerte. „Er hat das Morden gelernt“, sagt ein Ermittler. Eine Zeit lang lebte er auf einem alten Einsiedlerhof im Süden von Overath, bis er Ende der 1990er-Jahre wegen Mietrückständen in Höhe von 10.000 Euro dort ausziehen musste. In dem Rechtsstreit vertrat Nickel den Vermieter. Deswegen, so die Staatsanwaltschaft, habe A. einen „irrsinnigen Zorn“ auf den Anwalt gehabt.

Der Verfassungsschutz in NRW hat inzwischen frühere Kontakte zu dem mutmaßlichen Dreifachmörder bestätigt. Verfassungsschutzchef Hartwig Möller beteuerte allerdings am Donnerstag, es habe zu keiner Zeit eine Zusammenarbeit gegeben. Im Oktober 1995 sei A. „umfassend überprüft“ worden. Der Grund: Anfang der 90er-Jahre stieß A. in Köln zur „Deutschen Liga für Volk und Heimat“, einer Rechtsabspaltung der „Republikaner“. „Über einen Taxifahrerkollegen ist er an uns herangetreten und bot sich zu kostenlosen Botenfahrten an“, berichtet Manfred Rouhs, seinerzeit einer der führenden Funktionäre der rechtsextremistischen Truppe. Immer wieder habe A. über Waffentypen doziert.

Ende April 1996 sei es zu zwei Treffen gekommen, erklärte VS-Chef Möller gestern. „Dabei stellte der Verfassungsschutz fest, dass Thomas A. auf Grund seiner Vergangenheit, seines Charakters und seines Verhaltens nicht als Gesprächspartner des Verfassungsschutzes taugt“, so Möller. Seither habe es keinen Kontakt mehr zwischen dem Verfassungsschutz und A. gegeben.

Im Herbst 1994 kandidiert A. bei der Kommunalwahl im Kölner Stadtbezirk Nippes für die „Deutsche Liga“. In dieser Zeit habe er dann auch Rouhs eine Pistole samt scharfer Munition „unter die Nase“ gehalten. Damit dieser sich vor vermeintlichen antifaschistischen Überfallen schützen könne. Rouhs will ein Manöver des Staatsschutzes hinter dem Angebot vermutet und die Waffenannahme abgelehnt haben. Angetrunken habe Thomas A. sich ihm gegenüber als V-Mann des Verfassungsschutzes geoutet, erzählt Rouhs. Daraufhin habe er jede Verbindung zu A. abgebrochen.

Mit seiner 19-jährigen Freundin Jennifer D. war A. erst seit einem Monat zusammen. Für ihren Vater war A. nicht mehr als ein „Spinner“ und „Schaumschläger“. Er nahm ihn nicht ernst. Auch nicht, als A. zu ihm sagte: „Der Kampf hat längst begonnen.“ PASCAL BEUCKER