LABOUR-PARTEITAGE WAREN FRÜHER WICHTIG – DOCH DAS WAR VOR BLAIR
: Show für Statisten

Seit gestern läuft sie wieder: die jährliche Tony-Show, jenes sorgfältig choreografierte Labour-Parteitagsspektakel, auf dem die Debatten längst Teil des Unterhaltungsprogramms sind. Seit Tony Blair vor zehn Jahren an die Parteispitze gewählt wurde, hat er die Kontrolle der Parteiführung Stück für Stück abgeschafft und immer mehr Macht angehäuft.

Inzwischen hat selbst sein Kabinett nichts mehr zu sagen; die Entscheidungen treffen Blair und seinen engsten Vertrauten, die von niemandem gewählt sind. Da kann die Jagdlobby jetzt noch so fantasievoll in Brighton gegen das Treibjagdverbot demonstrieren, da können die Gewerkschaften noch so heftig gegen Britanniens Einmischung im Irak opponieren – es hat keinen Einfluss.

Der Parteitag, früher eine bedeutende Einrichtung bei der Labour Party, ist zur Verkaufsveranstaltung geworden. Und selbst das hält Blair eigentlich für überflüssig. In zahlreichen Interviews in den vergangenen Jahren hat der Premierminister anklingen lassen, dass er das Volk für blöd hält, aber auch für lernfähig. Am Ende werden die Leute schon kapieren, dass er von Anfang an richtig lag – und das nicht nur beim Irakkrieg.

Die Parteitagsdelegierten, die Statisten also, werden Blair nicht an den Karren fahren. Sie sind hypnotisiert von der Aussicht auf eine dritte Labour-Amtszeit. Welche Politik dafür betrieben wird, welche Lügen – vor allem in Sachen Irak – man dabei schlucken muss, spielt keine Rolle. Dabei war die Gelegenheit noch nie so günstig, den ideologiefreien Raum, den Blair für sich geschaffen hat, durch den linken Ausgang zu verlassen.

Von den Tories droht Labour nämlich keine Gefahr. Parteichef Michael Howard, der vorübergehend geläuterte Rechtsaußen der letzten Tory-Regierung, ist an seine reaktionären Wurzeln zurückgekehrt: Er wird den Wahlkampf mit einem giftigen Cocktail aus Antiimmigration, Asylbewerberstopp und Abschaffung der Erbschaftsteuer bestreiten. Irgendwie muss man sich ja von Labour absetzen. Sein Problem: Blair wird schon bald wieder nachrücken. RALF SOTSCHECK