Aktenzeichen 143/C/132/4

Journalistenpreise sind eine feine Sache. Es sei denn, sie werden von Unternehmern ausgelobt, die damit eine gewogene Berichterstattung erreichen wollen – wie im Fall des Kölners Werner Rügemer

AUS KÖLN SEBASTIAN SEDLMAYR

Durch Deutschlands Presselandschaft mäandert eine neue Form der Korruption. Um Bestechung handelt es sich im strengeren Sinne nicht. Schließlich wird erst im Nachhinein gezahlt. Doch an der Unabhängigkeit der Berichterstattung darf besonders im aufstrebenden Bereich „Wirtschaftsjournalismus“ bisweilen gezweifelt werden, seitdem Unternehmen und Verbände ein dichtes Netz von „Journalistenpreisen“ und den dazugehörigen Jurys spinnen. Thomas Leif vom Journalistenverein „Netzwerk Recherche“ berichtet, dass große Firmen inzwischen eigene Etat-Titel für den direkten Draht zu Journalisten vorhalten.

Unter die Kategorie Kontaktpflege fallen oft auch hauseigene Medienpreise. Bis zu 10.000 Euro für einen gelungenen Artikel sind keine Seltenheit. Auch die Jurymitglieder können noch mit Aufwandsentschädigungen in drei- bis vierstelliger Euro-Höhe rechnen.

Dosenlobby und Journaille

Für das Suchwort „Journalistenpreis“ zeigt allein die Internet-Suchmaschine Google 10.500 Treffer an, der Konkurrent Yahoo sogar 31.300. Besonders häufig locken Unternehmen aus den Branchen Gesundheit und Umwelt sowie aus der Industrie mit lukrativen Ehrungen. „Hoch dotiert“ sei ihr Medienpreis, stellt zum Beispiel das „Informations-Zentrum Weißblech“ in den Vordergrund. Dass hier Dosenlobby und Journaille eine für beide Seiten, nicht aber für die Leser einträgliche Koalition eingehen, darf getrost befürchtet werden.

Das Preisgeld (10.000 Euro) entspricht dem Jahreseinkommen so mancher freier Journalisten. Eine erhebliche Zunahme privat ausgelobter Journalistenpreise beobachtet auch Hendrik Zörner vom Deutschen Journalistenverband (DJV). Dem stünden wegen leerer Staatskassen immer weniger öffentliche Preise entgegen. „Man fragt sich natürlich, was ein Unternehmen mit dem Preisgeld bewirken will“, so Zörner.

Entscheidend sei, ob das allgemeine Interesse oder das Interesse des Unternehmens im Vordergrund stehe. Wenn zum Beispiel ein Autohersteller einen Text zum Schutz von Kindern im Straßenverkehr ehre, sei dagegen nichts einzuwenden. Schwierig werde es, wenn ein Stück über die besondere Leistung eines Autos des Herstellers bevorzugt werde. Thomas Leif ist trotz der Entwicklung zuversichtlich, „dass sich die wenigen renommierten wie der Wächterpreis durchsetzen“. Er setzt auf das Ehrgefühl der Kollegen: „Wenn klar ist, dass es sich um eine PR-Veranstaltung handelt: Wer bewirbt sich dann noch?“

In einem Fall, über den gestern das Kölner Amtsgericht entschieden hat, schwang das Pendel in die andere Richtung: Bei der Bewahrung der Unabhängigkeit ist die Jury des Journalistenpreises 2003 vom Verband kommunaler Unternehmer (VKU) übers Ziel hinausgeschossen. In der Kategorie Hörfunk hatte der VKU seinen mit 3.000 Euro dotierten Preis Werner Rügemer für ein Stück im Deutschlandfunk über so genannte Cross-Border-Leasings zugesprochen.

Weil der Kölner Journalist, der auch ab und zu für die taz schreibt, einen Aufruf von Attac gegen ein solches Cross-Border-Leasing in Köln unterzeichnet hatte, erkannte der Jurysprecher Hagen Beinhauer die Ehrung in letzter Sekunde wieder ab. Rügemer habe sich „gemein mit der Sache gemacht“, so die Begründung. Gustl Glattfelder, damals für den DJV in der Jury des VKU, widerspricht Beinhauers Meinung, dass die privaten Aktivitäten Rügemers mit einer Ehrung unvereinbar seien: „Dann wäre Tucholsky auch nicht preiswürdig.“ Er habe Beinhauers Entscheidung, den Preis abzuerkennen, daher nicht unterstützt, stellt Glattfelder klar. Seinem Verband habe er empfohlen, zur nächsten Ausschreibung 2005 niemanden mehr in die VKU-Jury zu schicken.

Rügemer selbst wies darauf hin, man sei „nie nur Journalist, sondern immer auch Bürger“. Er habe es als seine „Bürgerpflicht“ gesehen, gegen ein geplantes Geschäft der Kölner Stadtwerke GEW zu protestieren, dessen Risiken ihm bei seiner Recherchearbeit bewusst geworden seien.

Der Journalist vermutet, dass seine Haltung bei der Mehrzahl der Juroren auf Ablehnung stieß, weil diese selbst in die umstrittenen Geschäfte verwickelt seien: „Nur die Jury-Mitglieder, die gleichzeitig VKU- oder Stadtwerke-Funktionäre sind, standen einstimmig hinter der Entscheidung.“

Darunter auch der Pressesprecher der GEW. Die Aberkennung wollte Rügemer allerdings nicht auf sich sitzen lassen. Er klagte auf Herausgabe des Preisgelds. Und bekam Recht. 3.000 Euro plus Zinsen und Verfahrenskosten hat das Gericht dem VKU aufgebürdet, weil dessen Wettbewerbsbedingungen die Aberkennung nicht deckten.

Bigotter Verband

Auf Nachfrage wollte sich VKU-Sprecher Wolfgang Prangenberg zu der Geschichte nicht äußern. Beim Gütetermin vor drei Wochen, so Rügemer, habe der Anwalt des Verbandes ihm die Herausgabe des Preisgelds bereits angeboten – unter der Bedingung des Stillschweigens. Doch Rügemer ließ sich nicht kaufen und prangert die Bigotterie des Verbandes an: Der VKU spiele sich „als Hüter der reinen journalistischen Lehre auf“. Doch „etwas Wahres, das unangenehm ist, soll verschwiegen werden“.

Der DJV in Köln versucht derzeit, den VKU-Jurysprecher Beinhauer zusammen mit Rügemer auf ein Podium zu bekommen. Arbeitstitel der Diskussionsveranstaltung: „Wann beginnt und endet die journalistische Unabhängigkeit?“