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Archiv-Artikel

pop komm raus Für dumm verkaufen heißt noch weniger verkaufen

Welch eine lustige Idee: Für spottbillige 9,99 Euro kann man sich seit Anfang des Monats CDs kaufen, ohne Booklet und Cover, aber mit dem Wohlwollen von BMG, die ihre Schätzchen nun in drei Varianten herausbringt. Als Luxusklasse für übliche, überteuerte 16,99 Euro samt allem Pipapo wie Papphülle, überflüssigen Videos und anderen Features, als Standard-Version für 12,99 Euro mit Plastikhülle und Booklet, und eben als 9,99-Schnäppchen, zum Leider-leider-Preis.

Warum denkt sich die Plattenindustrie so etwas aus? Meint man dort wirklich, es gäbe Menschen, die jetzt das Kopieren sein lassen? Wo ein CD-Rohling immer noch ungefähr acht Euro billiger ist als die Wühltisch-Variante der legalen CD? Und dass man auf das Cover verzichten muss, ist schlicht Quatsch: Das druckt man sich schön aus dem Internet aus, oder läuft mit dem Original zum Copyshop. Und wer soll die Teuer-Variante kaufen, die politisch Korrekten? Die, die auch das taz-Abo zum Politischen Preis aufgestockt haben? Verloren hat natürlich, wer sich ausgerechnet das billige Ding ohne Cover brennt. Das ist in etwa so, wie Strassschmuck klauen und die Zwölfkaräter liegen lassen.

In Wirklichkeit gibt es ohnehin nur zwei Gruppen von CD-Nutzern: Die, die kopieren, und die, die es nicht tun, weil sie es nicht können. Es gibt Schnittmengen, manchmal kopieren Menschen auch CDs, weil es sie nicht mehr zu kaufen gibt, oder weil sie das teure Original nicht im schmuddeligen Auto liegen lassen wollen. Und es gibt die nicht gerade kleine Menge der merkwürdigen Musikangestellten, die ernsthaft und aus moral-geschäftlichen Gründen beim Kopieren nicht mitmachen wollen. Weil sie irgendwie denken, dass das ihren Job erhält. Solchen Industrieengeln schicke, selbst gebastelte Kopien zum Geburtstag mitzubringen ist immer besonders peinlich. Aber sonst: Wenn die BMG mit diesem Schnapsstreich zugibt, eh auf die blöden Cover verzichten zu können, wer soll dann überhaupt noch Wert darauf legen?

Natürlich muss man dann die neuen CD-Klassenunterschiede auch in die Charts einfließen lassen. Denn wieso sollte so ein schäbiger 9,99-Aldi-Neueinstieg, dessen Fans offenbar an echter Hingabe sparen, genauso bewertet werden wie die echte KaDeWe-Luxusvariante? Das gäbe endlich mal wieder einen Klassenkampf! Von Geschmack würde es dagegen zeugen, wenn die Plattenfirma ihre CD-Preise qualitativ unterschiedlich anlegte. Roger Whitaker und Wolfgang Petry (beide BMG) könnte man etwas teurer machen, um die Fans zu ärgern. Und der reizende Paul Weller würde noch viel mehr Menschen glücklich machen, wenn seine CD preislich etwas verbraucherfreundlicher gestaltet wäre. Wie, das ist Blödsinn? Ach nee. JENNY ZYLKA