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Archiv-Artikel

Armes Äffchen: Blair starrt auf Hartlepool

Im nordostenglischen Wahlkreis, der zuletzt einen Affen zum Bürgermeister wählte, muss heute ein Nachfolger für den zur EU gewechselten Peter Mandelson gekürt werden. Es ist eine Testwahl für die britische Labour-Regierung

DUBLIN taz ■ Hartlepool ist immer für eine Überraschung gut. Vor drei Jahren haben sie in der Stadt im Nordosten Englands einen Affen, das Maskottchen des Fußballvereins Hartlepool United, zum Bürgermeister gemacht. Heute müssen sie ihren Unterhausabgeordneten wählen, denn Premierminister Tony Blair hat den bisherigen Abgeordneten Peter Mandelson als EU-Kommissar nach Brüssel geschickt.

Mandelson war unbeliebt in Hartlepool, auch die Parteibasis mochte ihn nicht, weil er ihr von der Parteiführung aufgedrückt worden war, aber er war nun mal der Labour-Kandidat. Und Hartlepool schickt seit 40 Jahren einen Labour-Abgeordneten ins Unterhaus. Mandelson hatte vor drei Jahren eine Mehrheit von 14.571 Stimmen. Also eigentlich eine klare Angelegenheit. Wenn einer wie Mandelson schon so deutlich gewinnt, sollte es für einen beliebteren Kandidaten eine Formsache sein.

Doch das war vor dem Irakkrieg. In Hartlepool mit seinen 90.000 Einwohnern, darunter viele muslimische Einwanderer, überwiegen die Kriegsgegner. Die Stadt hat, wie so viele nordenglische Städte, den Niedergang der Industrie in den Achtzigerjahren erlebt. Der Hafen ist bedeutungslos geworden, man hat die alten Lagerhallen abgerissen und ein Einkaufszentrum sowie exklusive Apartments gebaut. Blairs Neuordnung der Partei haben die meisten Labour-Mitglieder in Hartlepool mit Misstrauen beobachtet.

Diesmal hat ihnen die Parteiführung einen lokalen Kandidaten genehmigt. Ian Wright ist 32, sieht aber aus wie ein Konfirmand. Er ist politisch naiv, ein glühender Verehrer Blairs und macht eine schlechte Figur. Als stärkstes Argument für seine Wahl führt er an, dass er als einziger Kandidat aus Hartlepool stammt.

Von seinem Wahlergebnis hängt viel für Blair ab, denn schneidet er schlecht ab, werden die Labour-Abgeordneten mit weniger sicheren Mehrheiten nervös. Gefahr droht Wright von den Liberalen Demokraten. Die haben Jody Dunn aufgestellt. Die 35-Jährige ist die erste Frau, die seit 1943 in Hartlepool kandidiert. Sie setzt sich für den Erhalt des Ortskrankenhauses ein, das die Regierung schließen will. Das ist ein gutes Wahlkampfthema, 33.000 Menschen haben eine Petition für das Krankenhaus unterzeichnet. Wright behauptete, dass es überhaupt keine Pläne gebe, das Krankenhaus zu schließen, doch Dunn hielt ihm einen offiziellen Bauantrag vor, wonach Teile des Krankenhauses in Wohnungen umgewandelt werden sollen.

Ihren Punktvorteil machte sie jedoch gleich wieder zunichte. Dunn ist die erste britische Politikerin, die ihr Wahlkampf-Tagebuch ins Internet gestellt hat. Dort notierte sie vor vier Wochen: „Alle Leute, die ich heute beim Wahlkampf getroffen habe, waren entweder betrunken, hatten einen bösen Hund an ihrer Seite oder waren nackt.“

Und die Konservativen? Die können froh sein, wenn sie auf dem dritten Platz landen und nicht von der ultrakonservativen United Kingdom Independence Party überholt werden. Der Tory-Kandidat, der 43-jährige Multimillionär Jeremy Middleton, hat sich mit seinem Schicksal bereits abgefunden. „Ich bin stolz darauf, Tory zu sein“, sagte er. „Was soll ich auch sonst machen?“ RALF SOTSCHECK

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