Europa zählt das Dosenpfand an

EU-Kommission leitet förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Grüne Breyer: EU soll sich nicht vor Karren der Einweglobby spannen lassen

BRÜSSEL taz ■ Die Auseinandersetzung zwischen Brüssel und Berlin über das deutsche Dosenpfand geht in eine neue Runde. Der zuständige Binnenmarktkommissar hat gestern ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Das bedeutet zunächst nur, dass die Bundesrepublik innerhalb von zwei Monaten ihre Argumente schriftlich darlegen muss. Sollten dadurch die Bedenken der Kommission nicht ausgeräumt werden, dass ausländische Anbieter durch das System benachteiligt sind, könnte die Kommission beim EU-Gerichtshof klagen.

„Wir haben viele Beschwerden erhalten, dass deutsche Einzelhändler Getränke anderer Mitgliedstaaten aus den Regalen nehmen. Die Kommission stellt Pfandsysteme nicht grundsätzlich in Frage, wenn sie dem Umweltschutz dienen. Wir müssen jedoch prüfen, ob das deutsche System mit EU-Recht vereinbar ist“, erklärte Bolkestein. Er betonte, alle Kommissare hätten die Entscheidung mitgetragen.

In den vergangenen Monaten war das Thema schon zweimal kurzfristig von der Tagesordnung genommen worden. Umweltminister Jürgen Trittin hatte mehrfach betont, ausländische Anbieter würden durch die Regelung nicht benachteiligt. Gestern rechnete eine Sprecherin des Umweltministeriums vor, die Einfuhren ausländischer Mineralwässer nach Deutschland seien trotz der Pfandpflicht deutlich gestiegen.

Trittin sieht das Dosenpfand durch die Einleitung des Verfahrens nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die Kommission habe allen Spekulationen eine Absage erteilt, wonach das Pfand eine EU-Widrigkeit darstelle. Die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer forderte die EU-Kommission gestern auf, sich mehr dem „im EU-Vertrag festgelegten Wert von nachhaltiger Entwicklung und Umweltschutz zu verpflichten, anstatt sich vor den Karren der Lobby der Einwegverpackung spannen zu lassen“. Mit der neuen Pfandregelung würden in Deutschland pro Jahr 1,2 Millionen Tonnen Müll eingespart. Der konservative EU-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne begrüßte dagegen das Verfahren. Viele mittelständische Getränkehersteller aus den Benelux-Staaten, dem Elsass und Österreich würden vom deutschen Markt verdrängt. DANIELA WEINGÄRTNER