Fischstäbchen statt Kabeljau

Die Greenpeace-Gruppe „Team50plus“ für ältere Mitglieder feierte gestern auf den Hamburger Landungsbrücken ihren zehnten Geburtstag. Zum feierlichen Anlass protestierte sie gegen die Überfischung in Nord- und Ostsee

Wir können eben nicht mehr auf Schornsteine klettern wie die Jungen.

Von Sebastian Siegloch

„Das ist doch Sägemehl“, ruft der 60-jährige Dieter Hesselmann und senkt seinen Blick auf das, was dort eisgekühlt in der Auslage des Verkaufsstands vor ihm liegt: Drei Fischstäbchen, mehr kann die Dortmunderin Gisela Rego heute nicht anbieten. „Das letzte Fischstäbchen, mehr gibt es nicht“, sagt die 62-Jährige. Sie spielt eine Fischverkäuferin der Gegenwart. Anders geht es Joachim Krüger. Er steht neben Gisela Rego, im gleichen Verkaufsstand. Über ihm hängt eine Tafel mit der Jahreszahl 1950. In seiner Auslage sind Körbe voller Schollen, Sprotten, Kabeljaue. Alles aus Plastik. „Früher gab es noch alles, was das Herz in Sachen Fisch begehrt“, sagt der 65-jährige Berliner. „Wenn die Menschen nicht langsam wach werden, gibt es bald gar keine Fische mehr.“

Hesselmann, Rego und Krüger sind drei der insgesamt 80 Greenpeace-Mitglieder, die nach Hamburg gekommen sind. Sie alle gehören zur Gruppe „Team50plus“, die gestern an den Landungsbrücken ihren zehnten Geburtstag feierte. „Wir wollen aber nicht nur feiern, sondern auch etwas tun“, sagt Cathrin Groll, die Greenpeace-Campaignerin und Koordinatorin des „Team50plus“. Und das taten sie auch: Zwischen 11 und 14 Uhr wimmelt es auf den Landungsbrücken von blauen Westen, mit der weißen Greenpeace-Aufschrift auf den Schultern. Sie kämpfen gegen die Überfischung der Meere – besonders von Nord- und Ostsee. Sie diskutieren mit den Menschen und sammeln Unterschriften: Vor 50 Jahren seien die Fangnetze der Fischer stets voll gewesen, heute blieben sie sehr oft leer.

Die „Undine“ reitet auf die Elbwellen. Manchmal schaukelt der Zweimaster-Segler an Landungsbrücke eins sogar im Rhythmus des Akkordeonspielers, der gerade „Das gibt‘s nur auf der Reeperbahn bei Nacht“ spielt. Auf dem Segelschiff hat das „Team50plus“ eine Ausstellung. „Meere in Seenot“ heißt es auf einem Greenpeace-Flyer. Greenpeace fordert, jeweils 40 Prozent von Nord- und Ostsee zu Schutzgebieten zu erklären. „Der Raubbau an Fischen muss aufhören“, so Joachim Krüger. Dies sei der zweite Grund, warum er nach Hamburg gekommen sei, neben dem Geburtstag der eigenen Gruppe.

„Die einzigen Fischarten, die man noch empfehlen kann, sind Makrelen und Heringe“, sagt Gisela Johansen. Nur davon gebe es noch genug. Johansen ist Mitgründerin des „Team50plus“. Vor zehn Jahren schlossen sich zehn bis 15 Greenpeace-Mitglieder zur so genannten Seniorengruppe zusammen. Schon ein Jahr später gaben sie sich den moderneren heutigen Namen. Mittlerweile gibt es etwa 190 Mitglieder in Deutschland, die in 20 lokalen und regionalen Gruppen organisiert sind. Johansen sieht die Entwicklung ihrer Gruppe sehr positiv: „Sonst wären nicht 80 Leute aus ganz Deutschland nach Hamburg gekommen.“

Ingeborg Wagner lehnt an der Reling der Undine, mit der Spitze ihres Stocks kratz sie über die Schiffsplanken. Wagner ist wie Johansen von Anfang an beim „Team50plus“ dabei. Doch unter all den älteren Damen und Herren sticht sie hervor: Mit 92 Jahren ist sie das älteste Mitglied auf dem Geburtstag, das älteste in Deutschland und „wahrscheinlich eines der ältesten Greenpeace-Mitglieder auf der ganzen Welt“, so Campaignerin Cathrin Groll. Die Älteren hätten die Erfahrung und müssten Unterschriften sammeln oder mit Politikerb sprechen, sagt die „waschechte“ Hamburgerin. „Wir können eben nicht mehr auf Schornsteine klettern wie die Jungen.“