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Archiv-Artikel

Blitzblanker Buhmann aus Bratislava

Bei den VW-Tarifverhandlungen drohen die Arbeitgeber mit Produktionsverlagerungen in osteuropäische Länder. Bereits jetzt kommen 300.000 Fahrzeuge des Konzerns aus der Hauptstadt der Slowakei. Doch der Kostenvorsprung wird nicht ewig halten

Im Vergleich zu Ostdeutschland liegt der Kostenvorteil bei rund zehn Prozent

AUS BRATISLAVASTEPHAN KOSCH

Hier wird die Drohkulisse der Konzernchefs real. Eine drei Jahre alte Fabrik vor den Toren der slowakischen Hauptstadt Bratislava. In den Werkshallen setzen gut 9.000 Mitarbeiter pro Jahr knapp 300.000 Autos für den Volkswagen-Konzern zusammen. Der Polo, der Seat Ibiza und der Geländewagen Touareg laufen vom Band. Hinzu kommen ein Sondermodell des Golf und das Oberteil des Porsche Cayenne, das von hier aus nach Leipzig geht und dort mit Porsche-Fahrwerk und -Motor zum Luxus-Offroader für mindestens 60.000 Euro fusioniert wird.

Solche Preise kann hier kein Arbeiter für ein Auto zahlen. Selbst ein Polo kostet auch in der Slowakei ein knappes Jahresgehalt. Der Durschnittslohn in der Fabrik liegt bei etwa 900 Euro pro Monat – und damit knapp dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt. Deshalb sind die Arbeitsplätze hier begehrt, sagt Werksleiter Alexander Matusek. VW kann sich die besten und vermeintlich produktivsten Leute aussuchen. Über die Hälfte der Mitarbeiter sind jünger als 30 Jahre, chronische Krankheiten oder aufwändige Regelungen für den Frühruhestand sind hier noch lange kein Thema.

Hinzu kommt die „Flat-Tax“ der Slowakei, die alles mit lediglich 19 Prozent besteuert. In Deutschland liegt der Satz für Unternehmensgewinne etwa doppelt so hoch. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöfer, Leiter des Center Automotive Research in Gelsenkirchen, hat ausgerechnet, das die Zulieferer der Automobilindustrie in der Slowakei um gut 22 Prozent günstiger produzieren können als in Westdeutschland. Im Vergleich zu Ostdeutschland liegt der Kostenvorteil noch immer bei rund zehn Prozent.

Solche Daten spielen dem Vorstand in Wolfsburg, der eh schon mit schleppendem Absatz und Verlusten zu kämpfen hat, in die Hände. „Wenn sich die Kostenstrukturen in Deutschland in den nächsten vier bis fünf Jahren nicht ändern, dann reden wir nicht mehr über Stellenabbau in der Automobilindustrie, dann haben wir ihn leider“, sagte Vorstandsmitglied Martin Winterkorn am Wochenende. Deshalb sollen die Löhne der gut 100.000 Beschäftigten in den westdeutschen Werken nach dem Willen des Managements in den kommenden zwei Jahren nicht steigen. Zudem streben die Arbeitgeber einen Tarifabschluss an, der eine Senkung der Arbeitskosten bis 2011 um zwei Milliarden Euro möglich macht. Die IG Metall fordert dagegen Einkommensverbesserungen von vier Prozent und eine langfristige Bestandsgarantie für alle Arbeitsplätze in den sechs westdeutschen VW-Werken. Einen Streik schließt die Gewerkschaft nicht aus.

Diese beiden Grundsatzpositionen haben die beiden Seiten zum Auftakt Mitte September ausgetauscht, heute wird weiter verhandelt. Zwei weitere Verhandlungstermine sind bis Ende Oktober angesetzt, dann endet die Friedenspflicht. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass bis dahin eine Einigung erzielt wird.

Von solchen Problemen ist Werksleiter Matusek in Bratislava noch weit entfernt. Doch auch ihm ist klar, dass sein Kostenvorsprung nur eine Frage der Zeit ist. Denn irgendwann werden auch hier die Löhne steigen. „Wir setzen auf unsere hohe Produktivität“, beschreibt er die Gegenstrategie zu den zukünftigen Niedriglohnländern, die noch weiter im Osten liegen werden. Und klingt damit fast wie ein Gewerkschaftler aus dem Westen.