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Archiv-Artikel

Erst mal die Ecken gründlich ausputzen

Die Vertreter der Karstadt-Angestellten sehen nur wenig Verhandlungsspielraum beim Beitrag des Personals zur Sanierung des Konzerns. Alle Arbeitsplätze und Kaufhäuser sollen erhalten bleiben. Stattdessen fordern sie die Banken zu neuen Krediten auf

AUS FRANKFURT/MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Welten liegen zwischen dem, was die Konzernleitung der ökonomisch schwer angeschlagenen Karstadt Quelle AG an „tiefen Einschnitten“ beim Personal und dem, was die Betriebsräte und Gewerkschafter mittragen wollen. Wie Franziska Wiethold vom Bundesvorstand der Gewerkschaft Ver.di und der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Pokriefke gestern in Frankfurt gemeinsam erklärten, reduziert sich die Verhandlungsmasse aus Sicht der Arbeitnehmervertreter auf die übertariflichen Leistungen. Da müssten jetzt, „die Ecken gründlich ausgeputzt werden“.

So sei die Belegschaft etwa zu Zugeständnissen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld bereit. Ansonsten aber gelte die am Montagabend in Kassel zwischen dem Gesamtbetriebsrat und den Betriebsräten von Karstadt in den Tarifkommissionen für den Einzelhandel in allen Bundesländern verabredete Linie.

Danach sollen ganz im Gegensatz zu den Vorstellungen etwa des Vorstandsvorsitzenden Christoph Achenbach auch die zur Disposition gestellten 77 kleinen Warenhäuser im Konzern verbleiben. Der Vorstand sei in der Pflicht, für diese Häuser – zusammen mit den Beschäftigten – neue Konzepte zu erarbeiten und vor allem die Geschäftsbereiche „Bedienung und Beratung“ auszubauen. Alle Arbeitsplätze bei Karstadt seien darüber hinaus langfristig zu sichern. Und ihre Bindung an die Tarifverträge im Einzelhandel müsse erhalten bleiben.

Das impliziert die Ablehnung der vom Vorstand geforderten Verlängerung der Arbeitszeit. Die Banken wurden von Wiethold und Pokriefke aufgefordert, den Konzern in dieser schwierigen Phase mit ihren Forderungen nicht unter Druck zu setzen, sondern konstruktiv an der Sanierung mitzuarbeiten. Notwendig werdende neue Kreditlinien seien langfristig einzuräumen.

Die von der Konzernleitung bereits angekündigte Kapitalerhöhung um 500 Millionen Euro nannte Pokriefke „unumgänglich“, den Verzicht auf Dividendenausschüttungen bis 2006 auch. Schließlich würden im Konzern allein im laufenden Geschäftsjahr Verluste von bis zu 200 Millionen Euro anfallen – nach Vorstandsangaben.

Pokriefke korrigierte gestern allerdings seine Aussage vom Montag, wonach der Konzern vor der Insolvenz stehe. Die Lage sei allerdings durchaus ernst. Eine Kommission aus 42 Betriebsräten aus Warenhäusern von Karstadt aus allen Bundesländern und Arbeitsbereichen und aus Vertreten der Auszubildenden soll in der kommenden Woche die Verhandlungen mit der Konzernleitung aufnehmen. Diese lehnte gestern die Vorschläge der Arbeitnehmervertreter schon einmal als „unzureichend“ ab. Die Beschäftigten seien „fest entschlossen, den gewerkschaftlichen Kampf um alle Arbeitsplätze gemeinsam aufzunehmen“, sagte Wiethold.

Die Länder und Kommunen wurden von den Arbeitnehmern aufgefordert, „Sofortprogramme zur Sicherung der Innenstädte“ zu entwickeln. Das dürfte auch Thema auf einem für den Abend geplanten Krisengipfel mit 70 Bürgermeistern im nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium gewesen sein. An dem Treffen nahmen auch Landeswirtschaftsminister Harald Schartau (SPD) und die KarstadtQuelle-Führung teil. Die Bürgermeister wollten auf Warenhaus-Vorstand Helmut Merkel einwirken, die kleineren Filialen zu erhalten und ihnen mehr Freiheiten zu geben.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sieht den Einfluss der Politik jedoch als begrenzt an. Die öffentliche Hand stehe allenfalls mit den Instrumenten des Arbeitsmarktes zur Verfügung, sagte er am Nachmittag. Der Karstadt-Führung warf der Minister erneut schwere Managementfehler vor.