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Archiv-Artikel

Sprengköpfe zu Brennstäben

Im französischen Hafen Cherbourg landen 140 Kilo Plutonium aus den USA. Das Material stammt von Atomwaffen und soll zu MOX aufbereitet werden. Frankreich hofft auf gute Geschäfte mit den USA

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

140 Kilogramm Plutonium – made in the USA – sorgen in Frankreich für Aufregung. Seit einer Woche erwarten Öko-Aktivisten im normannischen Hafen von Cherbourg die strahlende Ladung. Gestern Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, kam sie an. Verteilt auf die beiden auf derartige Transporte spezialisierten Schiffe der britischen Nuklearfirma BNFL, die „Pacific Pintail“ und die „Pacific Teal“. Am Quai übernahm der französische Atomkonzern „Areva“. Er transportierte das Plutonium umgehend per Laster in die 18 Kilometer entfernte Wiederaufbereitungsanlage von La Hague. Dort wird das Plutonium zusätzlich verpackt, um in den nächsten Tagen 1.200 Kilometer quer durch Frankreich kutschiert zu werden. Das Datum und die Route ist wie immer in solchen Fällen ein „Verteidigungsgeheimnis“. Die vorläufige Endstation aber ist bekannt: die Atomfabrik Cadarache bei Aix-en-Provence. Dort soll das Plutonium aus der US-Waffenproduktion in Brennstoff für amerikanische Atomkraftwerke verwandelt werden.

Die AtomgegnerInnen waren gestern zum Zuschauen verurteilt. In den Vortagen hatten sie den Hafeneingang gesperrt, einen Lkw quer auf eine Landstraße gestellt und sich an vielen Orten jeweils so lange angekettet, bis die zahlreich vertretene französische Polizei sie loskettete und davontrug. Doch am Dienstag schlug ein Gericht in Cherbourg, das von „Areva“ angerufen worden war, mit der finanziellen Keule zu: Wer einem Plutoniumschiff näher kommt als 300 Meter oder einem der Lkw näher als 100 Meter, dem droht eine Strafe von 75.000 Euro. Das kann sich nicht mal eine internationale Organisation wie Greenpeace leisten, die Protestierer aus aller Welt mobilisiert hatte.

Die Proteste werden weitergehen. Die Anti-AKW-Organisation „Sortir du Nucléaire“ hat dutzende von BürgermeisterInnen, durch deren Orte der Gefahrentransport gehen könnte, dazu aufgerufen, die Durchfahrt zu untersagen. Vier Routen stehen nach Ansicht der Atomgegner zur Debatte. In jedem Fall wird das Plutonium mit Polizeieskorte und meist auf Autobahnen rollen. Bis gestern Mittag hatte nur ein grüner Bürgermeister das Verbot erlassen.

In Cadarache sollen die 140 Kilogramm Plutonium in zwei Tonnen MOX verwandelt werden – ein Brennstoff für Atomreaktoren, der sowohl Uran als auch Plutonium enthält. In Frankreich funktionieren 20 der 58 Reaktoren mit MOX. In den USA hingegen wurde dieser Brennstoff bislang nicht verwendet. Das ändert sich, wenn Anfang nächsten Jahres die zwei Tonnen MOX aus Cadarache auf die Rückreise zu den AKWs des US-Stromherstellers „Duke Power“ gehen.

Die französische Atomindustrie hofft auf ein lukratives Geschäft. Der Transport geht zurück auf die Start-I- und Start-II-Beschlüsse von USA und Russland aus dem Jahr 2000. Damals wurde im Rahmen der „atomaren Abrüstung“ beschlossen, dass beide Länder jeweils 34 Tonnen Plutonium aus ihren Nuklearwaffen entsorgen. Die USA haben beschlossen, dieses Plutonium in MOX zu verwandeln. Und nennen dieses Programm „MOX for Peace“. Da die USA aber keine MOX-Fabrik haben und erst demnächst eine bauen wollen, wandten sie sich an die Franzosen. Die verarbeiten bereits seit Jahren ihr eigenes Plutonium, sowie jenes aus Deutschland und anderen Ländern in MOX.

Dass der Strahlentransport erst nach Nordfrankreich und dann auf dem Landweg nach Cadarache transportiert wird, begründet ein „Areva“-Sprecher damit, dass Cherbourg „am besten für die Entgegennahme derartiger Transporte geeignet sei“. Tatsächlich haben in dem normannischen Hafen schon zahlreiche Schlachten zwischen AtomgegnerInnen und der französischen Atomindustrie stattgefunden.

Die „Areva“ beteuert, die Atomtransporte seien sicher. Frankreich ist das Land mit der weltweit höchsten Atomdichte und hat langjährige Erfahrung im Umgang mit Strahlenmaterial. Am Dienstag dieser Woche stießen in der Nähe von Orléans zwei Laster zusammen. Der eine war mit leicht strahlendem Uran beladen, der andere mit Telefonen. Anschließend fragte Stéphane Lhomme, Sprecher von „Sortir du Nucléaire“: „Was wäre passiert, wenn der zweite Laster ein Öltanker gewesen wäre?“