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Archiv-Artikel

Ein Bauer gegen den Senat

Die Sonderstartbahn des Flughafens darf nur für Werksflüge der Airbus-Flügelproduktion genutzt werden. Weil der Senat das nicht respektiert, klagt Bauer Wähmann gegen die Stadt. Nun plant Bremen die A 281 quer über das Grundstück des Bauern

Bremen taz ■ Ein Staat, der von seinen Bürgern die Einhaltung des Rechts erwartet, muss sich selbst an Verträge halten. Sollte man meinen. Am 18. November wird der Bauer Heinz Wähmann wieder vor Gericht ziehen müssen, um dem Bremer Senat einen Rechtsbruch untersagen zu lassen. Die Geschichte geht zurück ins Jahr 1981. Auch wenn das Oberverwaltungsgericht sich dem Urteil der ersten Instanz anschließt und feststellt, dass der Senat rechtswidrig handelt, wird dem Bauern das auf Dauer wenig nutzen: Bremen plant nämlich den Bau einer Straße über sein Grundstück. Und dann ergreift der Senat wohl die Gelegenheit, den Bauern zu enteignen.

An der Neuenlander Straße, direkt hinter dem Spielzeugmarkt „Toys R Us“, ist rechts an der Straße eine sechs Meter hohe Bretterwand aufgebaut. In der Wand befindet sich ein fest verschlossenes Tor, „Sicherheitszone II“ steht daran und: „Wähmann“. Wie eine Burg ist das Grundstück auch von den anderen Seiten geschützt. Hinter der Burgmauer liegt ein grüner Garten, hier lebt der Bauer Wähmann. Auf den ersten Blick erscheint die Wand wie ein Schallschutz: Hinter dem Haus die Start- und Landebahn, östlich der Schießplatz, vor dem Haus die vierspurige Autobahn-Zufahrt Neuenlander Straße – von der früheren bäuerlichen Idylle ist außerhalb der Burg nichts geblieben. Als Bauer Wähmann 1981 mal wieder Wiesen verkaufen musste – der Fughafen brauchte weitere Flächen –, ließ sich Wähmann im Grundbuch eine “Grunddienstbarkeit“ auf das abgegebene Grundstück eintragen: die Versicherung der Stadt, dass auf der Wiese keine neuen Zuroll- oder Startbahnen gebaut werden.

Ein weiser Gedanke. Zehn Jahre später nämlich wollte die Stadt dem Bauern genau dieses Recht abspenstig machen, um doch eine Startbahn-Verlängerung zu bauen. Aber die Juristen im Bauressorts sahen keine Grundlage für eine Enteignung. Wähmann stimmte einem Kompromiss zu: Er akzeptierte die Verlängerung der Startbahn für die Transporte der Airbus-Flügel und die Stadt sicherte vertraglich zu, die Startbahn-Verlängerung auch nur dafür nutzen. Immer wieder beobachtet Wähmann aber, dass diese Beschränkung vom Flughafen nicht eingehalten wird. Und am 22. Juni 1999 unterschrieb der damalige Häfensenator und heutige Bundestagsabgeordnete Uwe Beckmeyer einen Brief an DaimlerChrysler, in dem er die Nutzung der Sonderstartbahn für sechs Starts „zum Zwecke der Flugerprobung“ erlaubte. Dem Bauern wurde nichts davon mitgeteilt – offenbar in der Hoffnung, er würde nichts davon bemerken. Als die Sache dann doch beim fünften Start aufflog, behauptete das Häfenressort, es handele sich nicht um einen Vertragsbruch. Bauer Wähmann zog vor Gericht. Er beschwerte sich gleich auch über den Lust-Flug einer B 747, die auch über die Sonderstartbahn gerollt ist – als gäbe es die vertragliche Vereinbarung mit dem Senat nicht. Der Senat argumentiert vor Gericht, der Vertrag sei nichts wert, weil das Grundstück mit der Grunddienstbarkeit von der Stadt an die städtische Flughafen-GmbH verkauft worden sei und die vertragliche Verpflichtung der Stadt damit hinfällig. Ende 2001 – die sechs Flüge waren längst über die Sonderstartbahn gerollt – gab das Verwaltungsgericht dem Bauern Recht: „Ohne Zweifel“ habe der Senat gegen geltendes Recht verstoßen. Der Senat erzwang eine Berufungsverhandlung, die demnächst vor dem Oberverwaltungsgericht stattfindet und in der die Stadt ihre Auffassung von der Wertlosigkeit des Vertrags durchsetzen will.

Gleichzeitig aber plant der Senat einen ganz anderen Schritt zur Aushebelung der Rechte des Bauern. Ende September teilte der Senat in einer lapidaren Erklärung mit, er habe sich für die „Südvariante“ der Trassenführung der A 281 „nahe dem Rollfeld“ hinter dem Toys-Grundstück entschieden, nicht für die „Nordvariante“ über die Neuenlander Straße vor dem Toys-Parkplatz. Was in der Senatsmitteilung nicht zu lesen war: Die „Südvariante“ würde über das Grundstück des Bauern Wähmann gehen. Der Straßenbau wäre ein Grund, den Bauern aufgrund des dann bestehenden „öffentlichen Interesses“ zu enteignen: Die Burg würde geschliffen. Wie stark das Wähmannsche Grundstück Neuenlander Straße 121 betoffen ist, wird derzeit noch im Detail geplant. Die Trassenführung ist zwar etwas teurer als die Nordvariante, aber sie habe große Vorteile, sagt der Senat.

Über den Vorteil gegenüber dem Bauern Wähmann steht in der Entscheidung des Senats kein Wort. Denn die Nutzungseinschränkung der Sonderstartbahn ist im Grundbuch ausdrücklich als „das Recht des Eigentümers des Grundstückes Neuenlander Straße 121“ eingetragen. Wenn mit der Begründung des Autobahnbaus der Bauer Wähmann enteignet werden kann, entfällt die „Grunddienstbarkeit“ und der Senat wäre seine Pflichten los. Die Flugzeuge könnten dann noch näher an der Kattenturmer Seite des Rollfeldes starten. Klaus Wolschner