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Archiv-Artikel

Bremen mal Hand in Hand mit Bayern

In Deutschland tobt eine verfassungsrechtliche Debatte. Dabei geht es um die Neuordnung der bundesstaatlichen Ordnung – und über Macht und Gesetze, die sie regeln sollen. Der SPD-Abgeordnete Volker Kröning berichtete

Von kawe

Bremen taz ■ Fast unbemerkt von der großen Öffentlichkeit wird in Berlin seit Monaten am Umbau der Republik gearbeitet: „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ ist das Stichwort. Es geht um die Macht der Länder. SPD-Parteichef Franz Müntefering und CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber sind die Vorsitzenden der entsprechenden Kommission. Diese Besetzung deutet an: Es soll etwas dabei herauskommen.

Er sehe eine „Chance von deutlich mehr als 50 Prozent für einen Erfolg“, meinte jüngst Bremens Bundestagsabgeordneter Volker Kröning, der als Obmann der SPD-Fraktion in der Kommission sitzt. Vor einem Fachpublikum, eingeladen von der Juristischen Gesellschaft, berichtete er über die hochkomplexe Materie. Wie viel Macht bekommt der Bund, wenn die Aufgaben entflechtet werden – und wie viel die Länder? Und: Können die Länder, wenn der Bund Aufgaben abgibt, noch für die Einheitlichkeit der Lebensbedingungen sorgen? In der Art wie sie Bildungspolitik regeln und wie sie ihre Interessen gegenüber der EU vertreten, so scheint es für Kröning deutlich, zeigen die Länder, dass sie das sehr schlecht können.

Matthias Stauch, Präsident des Oberverwaltungsgerichtes, unterstrich die durchaus positive Bilanz des bisherigen Föderalismus: Der habe große Homogenität garantiert, anders als etwa im zentralstaatlichen Italien oder in der Türkei. Es gebe in Deutschland eine starke Position der Länder, die für die Bürgernähe der Verwaltung verantwortlich seien, und eine starke Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Reformbedürftig seien allein die großen Mitwirkungsrechte der Länder an der Bundesgesetzgebung.

Untersuchungen haben ergeben, dass diese Mitwirkungsrechte zum überwiegenden Teil für politische Auseinandersetzungen der politischen Lager genutzt werden, weniger für die parteiübergreifende Interessenvertretung der Länder, bemerkte Kröning. Seit 1949 sei der Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze von 20 Prozent auf 60 Prozent gestiegen. Neuerdings beschränke das Bundesverfassungsgericht die Kompetenz des Bundes – siehe Juniorprofessoren-Urteil – sogar auf die Fragen, die die Sicherheit oder wirtschaftliche Einheit des Landes betreffen. Das entmachte den Bund.

Kröning streitet für einen starken Bund. Das ist seine Rolle als Obmann der SPD-Fraktion, ganz nebenbei ist es aber auch im bremischen Interesse. Denn genauso wie die Ost-Länder muss Bremen den „Wettbewerbsföderalismus“ fürchten: Je mehr Rechtsbereiche von den Ländern eigenständig gelöst werden dürfen, desto weniger kann Bremen allein diese Aufgabe bewältigen. Der Unterschied zwischen einem „regionalen Länderverbund“ der norddeutschen Bundesländer, die in Wettbewerb mit den süddeutschen Ländern stünden, und einem Nordstaat wäre dann nur noch gering. Und ein „Zweiklassen-Föderalismus“ droht, wie der Staatsrechtler Ian Schefold in der Diskussion formulierte.

In einer Art machtpolitischem Kuhhandel sind in der Kommission die Kompetenzen schon mal verteilt worden, berichtete Kröning: Das Öffentliche Dienstrecht für die Landes-Bediensteten und das Hochschulrecht sollen Sache der Länder werden. Das Umweltrecht soll dagegen in einem „Umweltgesetzbuch“ zentrale Kompetenz des Bundes werden. Für Dutzende von Detailfragen bis hin zum Schornsteinfeger-Recht muss ausgehandelt werden: Kriegst du (Bund) das, kriegen wir (Länder) das.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) hat jüngst größere Zugeständnisse des Bundes gefordert, damit die Länder dem Paket zustimmen können. Neu in der verfassungsrechtlichen Diskussion ist der Gedanke der Abweichungsbefugnis: Ein Land soll in bestimmten Rahmen abweichende Regelungen per Gesetz verordnen können. Der Bund, so Krönings Position, muss aber die Kompetenz haben, zu weitreichende Abweichung wiederum mit eigenen Gesetzen zu korrigieren. Bremen orientiere sich in der Kommission an Bayern und habe das bisher nicht akzeptiert, bemerkte Kröning. kawe