: Viel Kompetenz – nur zu wenig Macht
Männer werden leichter ernst genommen und bekommen von Banken eher Geld für die Selbstständigkeit, sagt Unternehmensberaterin Angela Gessler. Gerade in Führungspositionen seien Frauen nach wie vor unterrepräsentiert
taz: Frau Gessler, entscheidet sich an der Tatsache, dass Sie Frau sind, Ihr beruflicher Erfolg?
Angela Gessler: Ja, ganz klar. Berufseinsteigerinnen, die zu mir kommen, sind nicht selten bei Entscheidungsträgern, die fast immer Männer sind, vor Wände gelaufen. Sie schätzen es, von einer Frau mit ihren Projekten ernst genommen zu werden – und haben einfach mehr Vertrauen.
Werden Existenzgründerinnen tatsächlich nicht ernst genommen?
Oft scheint man Frauen nicht einmal zuzutrauen, ein Projekt strategisch durchplanen zu können. Das ist natürlich vernichtend für eine Frau, die in der Startphase auf Fremdkapital angewiesen ist – wie die meisten Männer auch. Des Weiteren gelten Frauen als wenig belastbar. Sprich ungeeignet, die Nachgründungsphase zu überstehen. Laut meiner Erfahrung untersuchen Frauen aber im Vorfeld sehr viel differenzierter die wirtschaftliche Realität, um abzuklären, ob eine selbstständige Existenz möglich ist. Noch dazu in von Männern dominierten Branchen.
In welchen?
Es sind längst nicht mehr nur Frisörmeisterinnen, die expandieren wollen. Viele meiner Klientinnen sind in der Wirtschaft, so im Bereich Beratung oder Coaching, tätig. Ich habe sogar eine freiberufliche Klempnerin in meiner Kartei. Dennoch versuchen sich die meisten in den klassisch weiblichen Berufsfeldern.
Bietet Berlin das richtige Klima für weiblichen Unternehmergeist?
Besonders in Zeiten konjunktureller Flauten verschlechtern sich die Bedingungen für Frauen, die ihr eigenes kleines Unternehmen gründen wollen. Das fängt schon beim Gespräch mit der Bank an. Männer treffen mit ihren Ideen leichter auf Zustimmung und bekommen letztlich auch eher Kredite bewilligt. Weibliche Eigenständigkeit muss sich hier schon gegen das Vorurteil wehren, allein der Selbstverwirklichung zu dienen. Männer gelten hingegen als Familienversorger, die sich aus ökonomischer Notwendigkeit heraus ihr Eigenes gründen.
Hier zeigt sich ein Auseinanderklaffen in der Geldvergabe zwischen Mann und Frau, das sich in der Verteilung von Führungspositionen fortsetzt.
So drastisch es klingt, gerade in den Chefetagen zeigt sich, dass die Gleichberechtigung reine Fiktion geblieben ist. Den Unternehmerinnen wie den Managerinnen fehlt es nicht an Verstand und Intuition, sondern zurzeit noch an Macht.
Demnach bleibt den Gründerinnen nur noch die Vernetzung.
Es gibt öffentliche Förderprogramme, die sich speziell an Frauen richten. Noch effektiver sind jedoch Gründerinnenvereine oder oder -portale. Diese bieten nicht nur Informationen und Unterstützung, sondern sogar Finanzierungshilfe, wenn keine andere Quelle erreichbar scheint.INTERVIEW: CHRISTINE KEILHOLZ