: Unzulässige Formbriefe in der Post
Sozialzentrum Lesum rudert zurück: Kürzungsdrohungen für Sozialbezüge werden so nicht mehr verschickt
Bremen taz ■ Der Beratungsverein Solidarische Hilfe warnt: Sozialhilfeempfänger würden zunehmend unter Druck gesetzt, damit sie die Anträge für das Arbeitslosengeld II schnell ausfüllen. „Das ist Tenor in allen Ämtern“, sagt Herbert Thomsen von der Solidarischen Hilfe. Besondere Auswüchse habe dies derzeit im Sozialzentrum Lesum. Dort wurden potenzielle ALG II-EmpfängerInnen in einem Formschreiben bedroht, ihr Antrag werde abgelehnt, wenn sie bestimmte Fristen nicht einhalten. Thomsen spricht von „unzulässigen Androhungen“, die den Charakter von Nötigung haben. Schon rudert das Amt zurück. Die verwendeten Vordrucke seien alt. Sie würden aus dem Verkehr gezogen.
Bei der Solidarischen Hilfe wartet man schon darauf. „Ich habe gerade wieder so einen Fall auf dem Tisch“, sagt Thomsen. Mit Poststempel vom 7. Oktober habe eine Ratsuchende soeben ein Schreiben vom 9. August vorgelegt. „Wenn sie nicht bis Mittwoch alle angemahnten Unterlagen bringt, will man ihr den Antrag ablehnen.“ So steht es in eben jenem unzulässigen Formbrief – „der vermutlich ewig auf dem Amt gelegen hat. Sonst wäre ja nicht der Poststempel vom vergangenen Donnerstag drauf“. Ärgerlich sei auch, dass in Lesum Unterlagen verlangt würden, ohne die bisher keine Sozialhilfe hätte gezahlt werden dürfen. Dies seien beispielsweise Kopien von Mietverträgen, Personalausweisen, Geburtsurkunden und Meldebestätigungen. Das Sozialzentrum erklärt dagegen, dass bisher viele Unterlagen in den Akten lediglich als „vorgelegt und eingesehen“ registriert wurden. Nun müssten Kopien angefordert werden.
„Bedürftige haben dann Anspruch auf Hilfe und Zahlung, wenn eine Notlage angemeldet ist“, erklärt unterdessen die Solidarische Hilfe. Die Drohung, Anträge abzulehnen oder Geld zu kürzen, sei in der gemachten Form nicht zulässig. „Hier wird systematisch eine Schuldumkehr vorbereitet“, sagt Thomsen. Den Bedürftigen „wird für das Scheitern der pünktlichen Auszahlung zum 1. Januar die Schuld zugewiesen.“ Dabei sei bekannt, dass es bei der Arbeitsagentur und den Ämtern für Soziale Dienste an Personal und funktionierender EDV mangele. ede