Licht aus beim Tante-Emma-Kollektiv

Der Trend hin zu den Biosupermärkten und Ökofilialisten lässt sich kaum aufhalten. Darunter leiden vor allem die kleinen und ganz kleinen Bioläden in den Kiezen. Da helfen nur Flucht in die Nischen – und gute Dienstleistung

Sie schießen wie Pilze aus dem Mutterboden, und sie sorgen für Streit in der Ökoladenszene: die Biosupermärkte. Allein im vergangenen Jahr wurden in Berlin vier neue eröffnet, und auch in diesem Jahr werden es nicht weniger sein. Probleme kriegen nun die ganz kleinen Bioläden, die sich der Konkurrenz der großen zu erwehren haben. Sehen sie nun – wie einst die Tante-Emma-Läden im klassischen Lebensmitteleinzelhandel – ihrem Ende entgegen, oder finden sie eine Nische, die ihnen ein Überleben im Schatten der Großen sichert?

Der Unmut manch kleiner Ladenbesitzer, oft die Väter und Mütter der Ökobewegung, ist groß. Da werden schon mal im Laden Unterschriften gegen die drohende Konkurrenz gesammelt oder Veranstaltungen organisiert, auf denen über die Gefahr durch die Biofilialisten informiert wird. „Billiganbieter drücken“, sagen die Kritiker. Ein niedriger Preis für Biomilch müsse zwangsläufig die Erzeuger unter Druck setzen und könne nur zu Qualitätsverlusten und Pleiten führen.

Die Kritiker sehen sich als Nahversorger, die das Einkaufen von Biowaren dort möglich machen, wo die Menschen wohnen. „Dann brauchen sie nämlich für ihren Einkauf kein Auto und keinen Parkplatz“, heißt es trotzig. Für „Bio“ und faire Preise müsse geworben werden, „statt den Dumpingpreis und die Lösung des Parkplatzproblems als Entscheidungskriterium zu etablieren.“

Argumente, die Carmen Schultze vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) so nicht stehen lassen will. „Die Parkplätze sind ein Tribut an die Realität.“ Viele Kunden würden mit dem Auto einkaufen fahren, vor allem wenn sie größere Mengen brauchen. „Man muss auf die Kunden zugehen.“ So würden neue Käuferschichten gewonnen, was der Branche insgesamt helfe. Immerhin sei der Absatz von Bioprodukten stabil bis wachsend – angesichts der Krise im Einzelhandel schon ein Erfolg. Für manch kleine Läden sei die Entwicklung vielleicht bitter, zeigt Schultze Verständnis. „Aber manche haben auch zu lange gewartet.“

Einen Fehler dürfen nun, raten Branchenkenner, die kleinen Läden nicht machen: bei Preis und Sortiment mit den großen konkurrieren wollen. Diesen Kampf können sie nicht gewinnen. Stattdessen könnten sie in bestimmte Nischen drängen: etwa den Biokosmetik- oder den Kinderbereich. Und vor allem Service und Beratung ausbauen. Denn dafür haben die großen Ketten, ähnlich wie Lidl und Aldi, wenig bis gar keine Zeit. Insgesamt aber, so viel scheint klar, lässt sich die Entwicklung hin zu Biosupermärkten nicht aufhalten – wenn die Nachfrage nach biologisch erzeugten Lebens- und Haushaltsmitteln weiter wächst.

„Wer gut berät, hat auch Kunden“, beschreibt Silke Groß vom Bioladen Haferstich in Schöneberg denn auch einen Ausweg für die Kleinen. Seit über 20 Jahren gibt es das Geschäft nun schon, das ein Frauenkollektiv betreibt. Vor einem Monat hat direkt um die Ecke ein Biosupermarkt geöffnet. Die Folge ist ein Umsatzrückgang von 20 Prozent. Zumindest vorläufig.

Silke Groß ist dennoch gelassen: „Klar, dass die Leute da mal gucken gehen.“ Mit gutem Service und einer guten Beratung ließen sich die Kunden aber behalten beziehungsweise sogar zurückgewinnen. Bedroht fühle sich das Haferstich-Kollektiv jedenfalls nicht.

Aber auch Groß sieht eine Gefahr: „Je billiger Bio wird, umso weniger wird kontrolliert.“ Langfristig sinke so die Qualität der Produkte. Je größer der Gesamtmarkt werde, umso mehr komme es zu Geschäftskonzentrationen und umso mehr blieben auf der Strecke – vor allem die Kleinen. Eine Chance: „Irgendwann wird es Biosupermärkte und Biofeinkostläden geben.“

RICHARD ROTHER