Die Hausgeburt wird unbezahlbar

Die Versicherungsprämien für Hebammen, die Hausgeburten betreuen, haben sich in kürzester Zeit vervielfacht. Grund ist eine Häufung teurer Schadensfälle in der letzten Zeit. Ein Zufall, meinen die Hebammen und fordern die Politik zum Handeln auf

aus Berlin ULRIKE WINKELMANN

Emil war gerade in der Badewanne des Geburtshauses Berlin-Kreuzberg geboren. Drei Stunden später saßen seine Eltern schon an ihrem Küchentisch und kauten Butterbrote, die sie extra für eine womöglich ewig dauernde Geburt geschmiert hatten. Auch Li tauchte wenige Tage nach Emil ins Wasser der Geburtshaus-Wanne. Trocken getupft konnte Mama das Kind nach Hause tragen. 1,3 Prozent der Geburten in Deutschland, rund 10.000 im Jahr, finden ohne Ärzte mit Hilfe von Hebammen statt – bei den Müttern daheim oder im Geburtshaus.

Die Wahl zwischen Klinik, Geburtshaus und Hausgeburt könnte den Müttern bald geraubt werden. Zum Jahresende hat der Versicherungskonzern DEVK hunderten der etwa 1.500 Hausgeburts-Hebammen die berufliche Haftpflicht gekündigt. Als Freiberuflerinnen sind Hausgeburts-Hebammen aber verpflichtet, sich zu versichern. Keine Hebamme könnte das Risiko selbst tragen, dass bei einer Geburt etwas schief geht und ein Mensch womöglich sein Leben lang auf medizinische Hilfe angewiesen ist.

Doch während die Hebammen für ihre DEVK-Versicherung 130 Euro im Jahr bezahlten, verlangt die Konkurrenz Prämien von 1.500 Euro an aufwärts. Die typische Hebamme betreut aber nur zehn bis zwanzig Hausgeburten jährlich – bei einem Honorar von 380 Euro pro Geburt. „Keine Hebamme wird nur für diese Versicherungsprämie Geburten machen. Die macht dann lieber etwas anderes“, erklärt Andrea Bolz, die Geschäftsführerin des Bundes freiberuflicher Hebammen (BFHD). Hauptanteil von Arbeit und Einkommen machen ohnehin Vor- und Nachsorge beim Geburtshelfen aus.

„In den vergangenen zwei Jahren hat es sechs Schadensfälle gegeben, deren Kosten sich bislang zu 800.000 Euro summiert haben“, erklärt DEVK-Sprecherin Stephanie Embach die Vertragskündigung. Zwei der Fälle, in denen es bei der Geburt zu hirnorganischen Schäden gekommen sei, könnten noch die maximale Deckungssumme von 2,5 Millionen Euro erreichen. Es seien in jüngerer Zeit zwar nicht die Fallzahlen angewachsen, wohl aber die Summen, die dann geltend gemacht würden.

90 Prozent der Geburten in Geburtshäusern verlaufen komplikationslos. Die meisten Frauen sind zufrieden, ambulant entbunden zu haben. Etwa jede zehnte Frau muss allerdings spontan in eine Klinik umziehen, weil ärztliche oder technische Hilfe benötigt wird. Die Risikofälle finden also dort statt – darum kommt es in den Geburtshäusern selbst nur selten zu Schwierigkeiten.

„In 15 Jahren ist so gut wie nichts passiert“, sagt die BFHD-Hebamme Jutta Ott-Gmelch. Jetzt führe eine unglückliche Häufung von zwei oder drei Fällen in wenigen Wochen dazu, dass die ganze außerklinische Geburtshilfe gefährdet sei. Der BFHD verlangt deshalb in einem Brief an Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD), die Absicherung der außerklinischen Geburtshilfe staatlich zu regeln. Die Versicherer sollten beispielsweise in einen Pool gezwungen werden, aus dem sie das Risiko gemeinsam bedienen.

Nun sind die vornehmlich vom BFHD vertretenen Hausgeburts-Hebammen zwar besonders betroffen, da die meisten von ihnen nur wenige Geburten pro Jahr betreuen und sie die hohen Prämien deshalb hart treffen. Doch auch der viel größere Bund Deutscher Hebammen (BDH), der eher für Klinikhebammen spricht, sieht Versicherungsprobleme auf die freiberuflichen Mitglieder zurollen, die meist in Kliniken und in Geburtshäusern arbeiten. Ihnen habe die Axa-Versicherung die Prämie zum kommenden Jahr von rund 500 auf 1.500 Euro verdreifacht, sagt Regine Knobloch aus der BDH-Geschäftsstelle. Ein Ausweichen sei kaum möglich. „Es gibt so gut wie keine Anbieter für Versicherungen mehr.“

Was passiert, wenn der Preis von Schadensfällen durch Schadensersatz, Prozesskosten und so weiter wächst, ist in den USA zu besichtigen. Der New Yorker berichtete kürzlich, dass es etwa in Las Vegas keine Frauenärzte mehr gebe – sie gelten als nicht versicherbar.