: Mzoudis Mitwisserschaft ist nicht widerlegt
Der 11. 9. 2001 wurde in Afghanistan, nicht in Hamburg geplant. Muss das Mzoudi-Verfahren jetzt eingestellt werden?
Rechtsanwältin Gül Pinar ist hoffnungsvoll. Sie glaubt, dass die Anklage gegen ihren Mandanten, den vermeintlichen Terrorhelfer Abdelghani Mzoudi, „gekippt“ ist und die Zeichen auf Freispruch stehen.
Am Freitag hatte Heinz Fromm, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, vor dem Hamburger Landgericht ausgesagt. Nach seiner Darstellung wurden die Anschläge vom 11. September 2001 in Afghanistan geplant und nicht in Hamburg. Damit widerspricht er eindeutig der Anklageschrift. Dort heißt es, dass die Hamburger Gruppe schon vor ihrer ersten Reise nach Afghanistan beschloss, in den USA mit Hilfe von entführten Flugzeugen Terroranschläge zu begehen. Die am Wochenende im Spiegel publizierten Aussagen der Al-Qaida-Chefplaner Chalid Scheich Mohammed und Ramsi Binalshibh sprechen jedoch dafür, dass die Schilderung Fromms richtig ist.
Die Vorwürfe gegen Mzoudi brechen damit aber keineswegs in sich zusammen. Denn die angebliche Hilfe des Marokkaners fand vor allem im Jahr 2000 statt – nach Attas Rückkehr aus Afghanistan und damit zu einem Zeitpunkt, als die Hamburger Zelle nachweislich mit den Attentatsvorbereitungen begonnen hatte. Wer die ursprüngliche Idee hatte, ist dafür nicht entscheidend.
Ausschlaggebend ist vielmehr, ob Mzoudi von den Plänen der Atta-Gruppe wusste. Denn nur dann hat er sich strafbar gemacht. Seine einzelnen Handlungen waren für sich genommen harmlos: die Zahlung eines Studentenbeitrags an die Uni, die Besorgung eines Wohnheimzimmers sowie die Erlaubnis, seine Adresse gegenüber Dritten anzugeben. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft (BAW) hat Mzoudi dabei planmäßig die Abwesenheit von Gruppenmitgliedern, etwa für die Flugausbildung in den USA, verschleiert.
Für die Verteidigung waren das jedoch nur ganz normale Freundschaftsdienste. Darin sieht sie sich auch durch Fromms Aussage bestätigt. Denn je später die Planungen in Hamburg begonnen haben, umso unwahrscheinlicher sei es, dass Mzoudi eingeweiht war.
Widerlegt ist die Verwicklung des Marrokaners damit aber nicht, schließlich haben sich seine angeblichen Unterstützungshandlungen über ein Jahr bis Anfang 2001 hingezogen. Zumindest die Anklage wegen Beihilfe zum 3.000fachen Mord steht damit nach wie vor im Raum. Im Mittelpunkt steht dabei in diesem Indizienprozess nun voraussichtlich die Frage, wie eng Mzoudi im Jahr 2000 noch mit den Gruppenmitgliedern Kontakt hatte.
Eindeutig verschlechtert hat sich die Situation der BAW beim zweiten Punkt der Anklage, der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die BAW nahm an, die Atta-Zelle sei eine eigene inländische Terrorgruppe. Dazu mag es aber nicht recht passen, wenn deren Befehle von außen, Afghanistan, kamen. Die bloße Unterstützung der ausländischen Terrorgruppe al-Qaida ist erst seit 2002 in Deutschland strafbar. CHRISTIAN RATH