Absprung in die Hölle

Matti Nykänen, Skisprunglegende mit Alkoholproblemen, hat wieder einmal vonsich reden gemacht: Er muss sich wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten

BERLIN dpa/taz ■ David Beckham hat es gemacht, Boris Becker auch und vor kurzem Franziska van Almsick. Junge Menschen, die eines gemeinsam haben. Sie haben eine Autobiografie geschrieben zu einem doch sehr frühen Zeitpunkt ihres Lebens. Und so mancher Kritiker fragte sich, ob sie denn überhaupt etwas mitzuteilen hätten außer dem, was sie bei ihren sportlichen Berg-und-Tal-Fahrten empfunden haben. Auch ein Superstar des Wintersports hat im letzten Jahr seine Erinnerungen vorgestellt. Doch Matti Nykänens Leben ist anders verlaufen als das so manch anderer Promisportler. Die Skisprunglegende hat ein bewegtes Leben hinter sich. Er hat wirklich etwas zu erzählen, von Höhen und Tiefen – nicht nur sportlicher Art. „Grüße aus der Hölle“ heißt das Buch.

Nun kann Nykänen dem Werk ein weiteres Kapitel hinzufügen: Rund sechs Wochen nach seiner Festnahme hat die Staatsanwaltschaft von Tempere Anklage wegen versuchten Totschlags gegen den viermaligen finnischen Olympiasieger erhoben. Der 41-Jährige soll im August in einem Sommerhaus in der Nähe der zentralfinnischen Stadt Nokia einen Bekannten im Vollrausch niedergestochen haben. Das Opfer der Attacke war mit ernsten, aber nicht lebensbedrohlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden. Der Prozess vor einem Gericht in Tampere soll nun am 27. Oktober beginnen.

Berichte, nach denen es bei dem blutigen Streit tatsächlich um Regeln beim Fingerhakeln gegangen sein soll, hatte die Polizei unmittelbar nach der Tat zwar nicht kommentieren wollen, würden aber dem skurrilen Image des Mannes aus Jyväskylä einen weiteren Akzent verpassen. Selten zuvor stand die Leistung eines Weltklassesportlers in einem derartigen Kontrast zu den Schlagzeilen aus seinem Privatleben.

Nykänens sportliche Bilanz liest sich eindrucksvoll: viermal Olympiagold, einmal Silber, ein WM-Einzel-, vier Teamtitel, ein Skiflug-WM-Titel und vier Weltcup-Gesamtsiege. Es gibt nichts, was er nicht gewonnen hätte. Demgegenüber offenbart sich die nahezu lückenlose Berichterstattung durch die finnische Regenbogenpresse als eine Phalanx von Skandalen: Hier reihen sich Probleme mit der Steuerfahndung, Schlägereien und diverse Scheidungseskapaden an Auftritte als Stripper und nicht zuletzt zahlreiche Alkohol-Exzesse: Kein Finne sorgte für mehr Schlagzeilen in Ilta-Lehti oder Ilta-Sanomat, den beiden auflagenstärksten Boulevardblättern.

Erst im März war Nykänen, der in Finnland nach eigenen Angaben „nur aufs Klo in aller Ruhe gehen“ kann, wegen eines Angriffs auf seine Ex-Frau Mervi Tapola, die er kürzlich wieder geheiratet hat, zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Nun muss er sich erneut vor Gericht verantworten. Die beinahe tragische Geschichte eines Mannes, der jeglichen Halt verloren hat, nachdem er im Alter von 27 Jahren seine Karriere als Skispringer beenden musste, scheint eine tragische Fortsetzung zu finden.