: Die Schleuse schließt sich
Die U21-Nationalmannschaft siegt im EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich mit 2:0. Viele Spieler müssen feststellen, dass es schon bald nicht mehr so einfach sein wird, ins A-Team aufzurücken
AUS DÜSSELDORF DANIEL THEWELEIT
So ganz mochte man Per Mertesacker nicht glauben, als er nach dem 2:0-Sieg gegen der Deutschen gegen die U21-Nationalmannschaft aus Österreich sagte, „die Anspannung war hier heute Abend dieselbe wie bei meinem Einsatz im Iran“. Statt vor 110.000 Zuschauern wie am Samstag in Teheran hatte er gerade eine Partie vor gerade einmal 2.000 Zuschauern im Düsseldorfer Paul-Janes-Stadion bestritten, und offenbar fühlte er sich hier sogar heimischer als im Kreis der A-Nationalspieler. „Eigentlich gehöre ich jetzt erst einmal hierher“, erklärte der Innenverteidiger von Hannover 96 besonnen. Er hat allen Grund zur Gelassenheit, schließlich ist er schon sehr nah dran an der Verwirklichung des Traums von einer WM-Teilnahme 2006. Ganz im Gegensatz zu vielen anderen Talenten der gegenwärtigen U 21. Denn nachdem in diesem Sommer ein beachtlicher Schwung von Nachwuchsspielern den Sprung in Deutschlands erste Mannschaft geschafft hat, schießt sich das Schleusentor langsam.
Acht Spieler, die im Jahr 2004 noch in der U21 spielen durften, standen am Ende der Partie im Iran auf dem Platz – eine Aufstellung, die wohl noch lange einzigartig bleiben wird. „Eine gewisse Erfahrung ist schon sehr wichtig, wenn man ein großes Turnier erfolgreich bestreiten möchte“, sagte Bundesassistenztrainer Jogi Löw am Rande des U21-Spiels gegen Österreich. Wie einst die Zeit des Börsenbooms, nähert sich die Zeit des Jugendwahns nach einer kurzen und intensiven Blütephase dem Ende, und – wie in der Wirtschaft – wird nur echte Substanz überleben.
Davon gibt es im deutschen Fußball aber gewiss mehr als am neuen Markt des ausklingenden Jahrtausends. „Wir haben enormes Talent – lasst es uns ausprobieren“, verkündete Bundestrainer Jürgen Klinsmann in Teheran. Hitzlsperger, Huth, Podolski, Hinkel, Kuranyi, Lahm, Mertesacker, Borowski oder Schweinsteiger, einige dieser Jungs werden wohl den Adler tragen, wenn die Weltmeisterschaft im eigenen Land gewonnen werden soll. „Unerlässlich“ seien allerdings auch Spieler, die „schon was erlebt und Titel gewonnen haben“, dämpfte Jogi Löw die Hoffnungen des zuletzt so stark gefeierten Nachwuchses. Es ist wohl eher mit einer Rückstufung einiger Kandidaten ins Team 2006 oder in die U21 zu rechnen als mit vielen weiteren Aufstiegen aus den Reservemannschaften in den Kader von Klinsmann und Löw.
Für die über diesen Sommer nicht Beförderten ist die Chance deshalb eher gering, noch auf den WM-Zug aufzuspringen. Benjamin Auer, der vom Nachwuchs ins Team 2006 versetzt wurde, bezeichnete seine Teilnahme an der WM durchaus realistisch als „utopisch“, und als Mike Hanke sagte, „natürlich will ich da unbedingt dabei sein“, klang das nach Kampfansage, aber nicht nach echtem Glauben. „Wir haben uns ein halbes bis dreiviertel Jahr an Testphase eingeräumt, danach wird unsere Mannschaft klarere Konturen bekommen“, meinte Löw.
Nach der Asienreise, die die A-Nationalmannschaft für den Dezember geplant hat, werden wahrscheinlich nur noch außergewöhnliche Überflieger aus dem Nachwuchsteam aufrücken. Die kommenden Wochen in der Bundesliga werden daher für alle, die sich Hoffnung machen, enorm wichtig Denn vor den Spielen in Korea, Thailand und Japan kurz vor Weihnachten ist die Tür noch einen Spalt auf. Danach müssen sich die meisten jungen Spieler wohl damit trösten, dass sie ja noch jung genug sind für spätere Weltmeisterschaften und all die anderen wichtigen Wettbewerbe, die ein Fußballerleben so mit sich bringt. Zum Beispiel die Europameisterschaft der U 21 im Jahre 2006. Für dieses Turnier versucht sich Trainer Dieter Eilts gerade mit seinem Team zu qualifizieren, und nach zwei Siegen aus zwei Spielen hatte der Nachfolger von Uli Stielike einen durchaus guten Einstand in die Pflichtspielphase. „Wir haben so viele tolle Spieler in den aktuellen Jahrgängen, ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft des deutschen Fußballs“, sagte der Trainer am Ende seiner Ausführungen – vielleicht ist es für den Nachwuchs ja ohnehin sinnvoller, sich auf das Turnier 2010 in Südafrika zu konzentrieren. Denn erst da wird diese goldene Generation ihr bestes Fußballeralter erreicht haben.