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Archiv-Artikel

steffen grimberg Aus dem „Giftschrank“

Der öffentlich-rechtlichen Unterhaltung geht’s so schlecht, dass nun sogar „Zimmer frei“ mit Cherno Jobatey gezeigt wird

Eigentlich ist es schon traurig, wenn das letzte bisschen Geheimwissen der Medienbranche eines Tages ganz schnöde von irgendeiner Nachrichtenagentur ins grelle Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird.

Doch gut, also nun ist es raus: Ja, es gibt sie wirklich, die sagenumwobene „Zimmer frei“-Sendung mit Cherno Jobatey, in der der einstige Großmeister des pferdeschwänzig-deutschen Turnschuhfernsehens in der TV-Zwangs-WG von Christine Wester- und Götz Alsmann wegen seiner Rechtschreibschwäche gehänselt wurde: „Alsmann trug ein ABC-Pflaster auf der Stirn, beide servierten Jobatey Buchstabensuppe, es gab Russischbrot zu essen, und der Gast musste das Wort ‚Kommunalobligation‘ buchstabieren. Jobatey verließ wütend das Studio und kam erst nach zehn Minuten zurück“ – all das posaunt die Agentur dpa ungefragt in die Welt hinaus.

Vier Jahre hat die inkriminierte Folge im WDR-Regal gelegen, jetzt hat auch Cherno nichts mehr dagegen. Das von WDR-Unterhaltungschef Axel Beyer persönlich wieder hervorgekramte Stück läuft am 23. November. Die Sendung soll in voller Länge ausgestrahlt werden. Auch die Pause, als Jobatey schmollend in der Garderobe saß, wird gezeigt.

Show als Pause – treffender lässt sich der Allgemeinzustand öffentlich-rechtlicher Fernsehunterhaltung kaum fassen. Denn Unterhaltung ist neben Information und Bildung theoretisch vornehmster Bestandteil des Grundversorgungsauftrags von ARD und ZDF, eine echte TV-Obligation sozusagen. Die Praxis aber ist grausam.

Nächstes Wochenende zum Beispiel. Dann läuft unerbittlich „Verstehen Sie Spaß?“, doch unser verzeifeltes „Nein!“ wollte schon damals niemand hören, als die „Streiche mit der versteckten Kamera“ noch von Exilbriten oder Schweizern moderiert wurden. Heutzutage, also am kommenden Samstag, macht’s Frank Elstner. Und zur endgültigen Zuschauerdemütigung gibt’s nicht etwa Buchstabensuppe, sondern Rudi Carrell. Der sucht in einer „Prominentenjury“ mit anderen Witzbolden wie RTL-Jochen Busse nach – na was wohl? – dem „Witzbold der Nation“.

Sage aber keiner, die ARD habe nicht auch neue, spritzige Ideen in petto: 2004 macht das Erste endlich mal wieder ’ne neue Lotto-Show. Moderator – jetzt bitte festhalten – genau, Frank Elstner. Zu gewinnen gibt es höchstwahrscheinlich Pfandbriefe und Kommunalobligationen. Als Altersvorsorge?