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Archiv-Artikel

Party auf der Insel

Ärger aus der „Streichholzschachtel“: Der Sender al-Dschasira feierte am Wochenende seinen siebten Geburtstag – und stellte sich den Kritikern

von JULIA GERLACH

„Wenn du mit Israelis redest, was ist das für ein Gefühl?“, fragt Moderator Ghassan Bin Dschaddu seinen Kollegen, den Al-Dschasira-Anchorman Mohammed Krischan. „Man kann auch mal mit jemandem reden, den man nicht mag“, antwortet Krischan. „Ich interviewe Israelis, weil uns die Meinung der anderen Seite wichtig ist“, so Krischan weiter, „aber manchmal muss ich mich zusammenreißen, dass ich bei den Gesprächen höflich bleibe.“ Bin Dschaddu wendet sich nun selbst an die Kamera: „Und jetzt, liebe Zuschauer, frage ich unseren Kritiker in Beirut. Ibrahim Aris, wie finden Sie es, dass bei uns auch Israelis zu Wort kommen?“ Aris, Journalist der Tageszeitung Al-Hayat, räuspert sich.

Al-Dschasira feierte am vergangenen Wochenende Geburtstag. Seit sieben Jahren sendet „die Insel“ (= al-Dschasira) aus Katar, und zur Feier des Tages stellt sich der Sender seinen Kritikern. Nicht nur der US-Regierung ist die Art, wie der Krieg im Irak von al-Dschasira dargestellt wird, ein Dorn im Auge. Auch vielen Zuschauern ist die Berichterstattung zu hetzerisch. Aber kein anderer Sender traut sich, Israelis zu Wort kommen zu lassen. „Ich finde diese Interviews wichtig“, sagt Ibrahim Aris, „aber ihr könntet noch einen Schritt weiter gehen. Ladet doch einmal israelische Intellektuelle ein, die für den Frieden sind!“

Ghassan Bin Dschaddu nimmt die Zuschauer mit in den Newsroom, spaziert zwischen Computern und Bildschirmen. „Ich gehe hier durch unsere Streichholzschachtel“, sagt er und zitiert damit den ägyptischen Präsidenten. Als Mubarak vor Jahren zu Besuch war und das bescheidene TV-Gebäude sah, soll er gesagt haben: „Was? Dieser ganze Ärger kommt aus solch einer kleinen Streichholzschachtel?“

Ibrahim Hilal grinst, er ist Anfang 30 und Chefredakteur des Senders. „Sag einmal, Ibrahim, wieso sendet al-Dschasira eigentlich die Nachrichten, die es sendet?“ Bin Dschaddu hält ihm das Mikro hin: „Es gibt Kriterien, nach denen sich der Bau der Sendungen quasi von alleine ergibt“, erklärt Hilal und weist so den Vorwurf der Einseitigkeit von sich. „Unsere Korrespondenten erzählen uns, was passiert. Zudem nutzen wir die Nachrichtenagenturen. Dann sortieren wir die Ereignisse nach ihrer Wichtigkeit“, sagt der Chefredakteur.

„Das stimmt doch nicht“, meldet sich der Kritiker aus Beirut zu Wort. „Al-Dschasira ist inzwischen eine politische Macht. Ihr konzentriert euch darauf, zu zeigen, dass die Amerikaner im Irak scheitern. Das ist Stimmungsmache“, sagt Aris.

Offene Worte live auf Sendung. Dafür ist al-Dschasira bekannt. Doch dass der Sender jetzt die Kritik auch am eigenen Programm bringt, das ist neu. Und kein wunder Punkt wird ausgespart, im Gegenteil. „In Grenada begrüße ich jetzt unseren Kollegen Taysir Aluni“, sagt Dschaddu, „frohen Ramadan, Taysir!“

Starreporter Aluni sieht müde aus. Die U-Haft – er wurde Anfang September wegen angeblicher Terrorkontakte in Spanien verhaftet und kam jetzt gegen Kaution heraus – hat ihm zugesetzt. Er bekam das erste Bin-Laden-Tape zugespielt und war wohl der letzte Journalist, der ein TV-Interview mit dem Terrorchef machte.

Nachdem er verhaftet wurde, rollte eine Welle der Solidarität durch die arabische Welt. „Es gibt massive Einschränkungen der Pressefreiheit im Irak“, sagt er jetzt, „davon sind in erster Linie arabische Medien betroffen.“ Sein Fall zeige die Grenzen der Pressefreiheit in Europa. „Damit hast du Recht, Taysir“, meldet sich jetzt Rascha al-Tarasch zu Wort. „Aber nimm doch auch zu den Vorwürfen Stellung! Wie ist deine Beziehung zu al-Qaida? Wie bist du an das Video und an das Interview gekommen?“, fragt sie. Aluni kann ihrer Bitte nicht mehr nachkommen, denn die Schalte nach Spanien ist zu Ende.

Bin Dschaddu zieht weiter, zu einem anderen bekannten Gesicht: Auch Waddach Khanfir hat während des Krieges aus dem Irak berichtet. Seit einer Woche ist er der neue Intendant des Senders. „Ich bin ein Sohn des Senders“, sagt er und strahlt. „Al-Dschasira hat die arabische Medienlandschaft revolutioniert, und das soll auch weiterhin so sein. Wir müssen uns immer wieder etwas Neues ausdenken. Das sind wir unseren Zuschauern schuldig“, sagt er. Da war die Geburtstagssendung schon einmal ein guter Anfang.